Laienprediger Bell setzt im Finale auf mentale Stärke

Berlin (dpa) - Am liebsten würde Colin Bell bei der Jagd nach dem wichtigsten Vereinstitel im europäischen Frauen-Fußball selbst mitmischen.

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„Es ist eine traumhafte Situation für einen Trainer, eine Mannschaft ins Finale zu führen“, sagte der Coach des 1. FFC Frankfurt vor dem Champions-League-Endspiel gegen Paris St. Germain. „Aber es ist noch viel schöner, auf dem Rasen zu stehen.“

Der Engländer hat richtig Bock auf das Karriere-Highlight an diesem Donnerstag (18.00 Uhr). Und genau diese Einstellung erwartet er auch von seinen Spielerinnen. Denn für Bell ist der Fußball nicht nur Beruf, sondern auch Berufung. „Wir müssen an unsere Grenzen gehen“, lautet die Maxime des früheren Zweitligaspielers vom FSV Mainz 05.

Der Laienprediger fordert viel, geht dabei aber stets respektvoll mit seinen Schützlingen um. „Ich laufe zwar nicht mit meiner Bibel beim Training herum, aber dennoch prägt der Glaube meinen Umgang mit den Spielerinnen“, erzählte er bei seinem Amtsantritt im September 2013. „Das hilft mir, aus ihnen das Beste herauszuholen.“

Das ist ihm bisher ganz gut gelungen. Im Vorjahr führte er den siebenmaligen deutschen Meister zum DFB-Pokalsieg, nun winkt den Hessinnen der vierte Triumph in der europäischen Königsklasse. Lohn der Arbeit: Sein zunächst bis zum Saisonende datierter Vertrag wurde bereits Ende Februar um weitere zwei Jahre bis 2017 verlängert.

Im Finale gegen den französischen Vizemeister setzt Bell, der sich privat mit Musik der Band Rammstein pusht, neben Willen und Einsatz vor allem auf eines: „In schwierigen Phasen kommt es auf den Charakter an. Wir arbeiten ständig daran, dass wir da noch stärker werden.“

In die Trainer-Lehre ging der 53-Jährige bei Lorenz-Günther Köstner, unter dem Bell beim 1. FC Köln als Assistent arbeitete. Den letzten Feinschliff erhielt er von Uwe Rapolder bei Waldhof Mannheim. In Mainz arbeitete er kurz mit Jürgen Klopp zusammen. „Er war in seiner Anfangszeit und wir haben uns gegenseitig geholfen. Ich konnte mir dort vieles abschauen“, berichtete Bell. Seine heutigen Vorbilder heißen José Mourinho oder Pep Guardiola. „Man schaut einfach, was sie so machen und wie sie es machen.“

Um voranzukommen, wählte er 2011 den Weg in den Frauenfußball. Auf seiner ersten Station in Bad Neuenahr trainierte er eine Ausbildungsmannschaft, in Frankfurt hat er die nächste Stufe erreicht. Er sei dem Frauenfußball sehr dankbar, dass er einen DFB-Pokal in der Hand halten durfte und ein Champions-League-Finale erleben darf. „Das sind Glücksmomente“, verriet er unlängst in einem Interview der „Frankfurter Rundschau“. Eine Rückkehr in den Männerfußball schließt er dennoch nicht aus.

Zunächst will Bell aber am Donnerstag sein Meisterstück abliefern. „Wir wollen eine Strategie entwickeln, wie wir Paris packen können“, erklärte der FFC-Trainer. Dazu gehöre ein dominantes Auftreten und mentale Stärke, wenn nötig auch vom Punkt. Elfmeterschießen üben lassen hat er aber nicht. „Das kann man nicht trainieren, denn die Situation lässt sich nicht 1:1 darstellen“, sagte Bell. Auf einen zusätzlichen Nervenkitzel würde er ohnehin gern verzichten. Deshalb feuert er seine Spielerinnen an: „Sie können zeigen, dass sie in der Lage sind, noch einmal ein großes Spiel zu machen.“