Interview Lena Goeßling: Es gibt keine Annäherung mit Steffi Jones

Die deutsche Fußball-Nationalspielerin über ihr extremes Jahr, den Streit mit der Bundestrainerin und den Tod ihres Vaters.

Lena Goeßling

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Frau Goeßling, Sie haben mit Wolfsburg fleißig Titel gesammelt, sind Europameisterin und Olympiasiegerin. Wären Sie ohne Ihren Zwillingsbruder Arne die erfolgreiche Fußballerin, die Sie heute sind?

Lena Goeßling: Wahrscheinlich nicht. Mein Bruder hat mich schon zum Fußball gebracht. Früher war es nicht so normal wie heute, dass auch Mädchen Fußball spielen. Wir haben bis zur D-Jugend in Löhne-Obernbeck zusammengespielt.

Als Sie für ein Länderspiel in Bielefeld nicht berücksichtigt wurden, haben Sie sehr emotional reagiert und haben Bundestrainerin Steffi Jones Respektlosigkeit vorgeworfen.


Goeßling: Das war aus der Emotion heraus. Ich spiele mit Herz und Leidenschaft Fußball und deshalb habe ich so enttäuscht und traurig reagiert. Dass meine Aussagen so hohe Wellen schlagen, habe ich allerdings nicht erwartet.

Empfinden Sie die Situation mit ein wenig Abstand anders?

Goeßling: Nein. Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe. Ich bin immer noch genauso traurig und enttäuscht. Vielleicht hätte ich nur einen anderen internen Weg wählen sollen.

Steffi Jones hat offengelassen, wann und wie sie wieder zueinander finden. Hat es bereits eine Annäherung gegeben?

Goeßling: Nein.

Sie haben schon einige Nichtberücksichtigungen für große Turnierein weggesteckt und sind letztlich doch auf fast 100 Länderspiele gekommen. Werden Sie den Kampf noch einmal annehmen?

Goeßling: Was für ein Kampf soll das sein? Ich finde, man muss miteinander reden. Nach 97 Länderspielen habe ich schon ein wenig Wertschätzung verdient. Ich lasse es auf mich zukommen. Das liegt jetzt nicht mehr in meiner Hand.

Sie wären aber bereit, weiterhin fürs DFB-Team zu spielen?

Goeßling: Ja. Ich fühle mich gut. Ich habe Spaß am Fußball. Ich bringe gute Leistungen in der Bundesliga. Das weiß Steffi Jones auch.

Und das, nachdem Sie wegen eines Bänderrisses mit Knochenödem lange verletzt waren.


Goeßling: Ja, das war eine lange Geschichte, weil am Anfang niemand wusste, woher die Beschwerden kamen. Aus vier Wochen wurden letztendlich drei Monate.

Konnten Sie trotzdem etwas Positives mitnehmen?

Goeßling: Ich habe eine andere Sicht auf die Dinge erhalten. Ich habe selbst erfahren, wie viel harte Arbeit dahintersteckt, wenn man sich aus einer Verletzung heraus zurückkämpfen muss. Und ich habe das tägliche Training, die Reiserei und die Spiele wieder mehr schätzen gelernt. Vielleicht kam die Verletzung auch zum richtigen Zeitpunkt. Mein Vater ist im vergangenen Jahr gestorben. So hatte ich Zeit, das alles zu verarbeiten und konnte wieder Kraft sammeln.

War die Zielsetzung „EM-Teilnahme“ hilfreich?

Goeßling: Ja. Ob es klappt, war lange unklar. Ich war dann Steffi Jones dankbar, dass sie mich nominiert hat. Wir waren im ständigen Austausch.
Dann haben Sie das Vertrauen mit einem starken Comeback gegen Russland zurückgezahlt. Das lässt Jones’ Entscheidung noch unverständlicher erscheinen.

Wissen Sie, was ihren Sinneswandel ausgelöst hat?

Goeßling: Nein.

Fühlen Sie sich als Sündenbock?

Goeßling: Es war ja das WM-Qualifikationsspiel gegen Island, das ausschlaggebend und für uns alle enttäuschend war. Ich kann verstehen, dass Steffi Jones mit meiner Leistung nicht zufrieden war. Aber es waren noch zehn andere Spielerinnen auf dem Feld. Und nun wirkt es nach außen so, als mache sie mich allein dafür verantwortlich.

Rückhalt bekommen Sie vom VfL Wolfsburg. Sie sind nun in Ihrer siebten Saison bei den Niedersachsen und haben Ihren Vertrag vorzeitig verlängert. Warum nur um ein Jahr?

Goeßling: Ich bin ja nicht mehr die Jüngste (lacht).

Das Ausland hat Sie nie gereizt? Angebote gab es.

Goeßling: Nein. Vielleicht bin ich nicht mutig genug oder habe zu viel Respekt vor der fremden Sprache.

Haben Sie schon eine Idee, was Sie nach der Fußballlaufbahn beruflich anstellen?

Goeßling: Noch nicht. Ich habe mir vorgenommen den Trainerschein B-Elite zu machen. Es wäre schön, im Fußball bleiben zu können. In welcher Funktion, muss sich finden. Noch spiele ich ja.