Sport Männer-Clubs drängen in Frauen-Ligen
Die Zeit der Frauen-Vereine ist vorbei. Bayern und Wolfsburg dominieren den Fußball, DEG, Eisbären und Haie versuchen es im Eishockey.
Düsseldorf. Von der Meisterschaft redet in Duisburg niemand. Die meisten Beteiligten wären froh, wenn die am Samstag beginnende Bundesliga-Saison eine ohne Abstiegsnöte wird. Früher war so etwas undenkbar. Seit 1997, seit die besten Fußballerinnen des Landes in der eingleisigen Bundesliga zusammengefasst sind, war der FCR Duisburg Dauergast in der Spitzengruppe. 2000 wurde er Meister, holte mehrmals den DFB-Pokal und den Uefa-Cup.
Heute ist der alte FCR Geschichte, nachdem ihm 2014 die Insolvenz drohte, schloss er sich dem MSV an. Der garantiert zumindest das Überleben, oben angreifen kann das Ruhrgebiets-Team aber nicht mehr.
Das gilt selbst für Turbine Potsdam und den 1. FFC Frankfurt. Zwei Teams, die zwischen 1999 und 2012 13 der 14 Meisterschaften unter sich ausmachten. Doch seit fünf Jahren heißen die Meister VfL Wolfsburg oder Bayern München. Die Wolfsburgerinnen gewannen zuletzt auch drei Mal in Folge den DFB-Pokal, 2013 und 2014 die Champions League.
Die Erfolge des VW-Teams sind das sichtbarste Zeichen einer Entwicklung im Frauen-Teamsport: Große Männervereine drängen in die Topligen, dafür gründen sie eigene Abteilungen oder übernehmen vormals eigenständige Clubs. Im Fußball ist das seit Jahren zu beobachten, nun auch im Eishockey.
Wenn die besten Puckjägerinnen des Landes bald in ihre neue Bundesliga-Saison starten, sind erstmals die Eisbären Berlin und die Düsseldorfer EG dabei. Und im Unterhaus läuft sich das nächste Schwergewicht aus dem Männerbereich warm: Die Kölner Haie haben jüngst den Zweitligisten Cologne Brownies übernommen. Und wollen schnell hoch.
Die Eisbären hatten mehr Glück, der kürzlich eingegliederte OSC Berlin spielte bereits in der ersten Liga, freut sich aber dennoch über die neue Hilfe. Laut Nationalspielerin Nina Kamenik wolle das Team jetzt „den Schwung des neuen Namens mitnehmen und mehr Aufmerksamkeit erfahren“.
Geht es nach Kai Erlenhardt, Ex-Trainer der DEG, ist das der richtige Weg. „Der Frauenfußball hat es vorgemacht: Bayern und Wolfsburg sind Marken, im Eishockey sind DEG, Haie und Eisbären ebenfalls Marken“, sagt er. 2015 hatte der Club zum 80. Vereinsgeburtstag eine Frauen-Abteilung gegründet und startete in der 3. Liga. Zwei Jahre und zwei Aufstiege später geht es bald in der Bundesliga weiter. Jüngst hat der Aufsteiger zwei Spielerinnen aus den USA, dem Land des Weltmeisters verpflichtet. Ohne einen Großclub im Hintergrund wäre das unmöglich.
Der sorgt für etwas Geld in der Kasse. Und für Aufmerksamkeit. Die meisten Frauen-Teams spielen ja selbst in der ersten Liga nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zum Aufstiegsspiel der DEG kamen hingegen mehr als 500 Fans in die alte Halle an der Brehmstraße. Mehr als 1000 verfolgten das Spiel zudem per Internetstream. „Kleine Clubs ohne Namen interessieren kaum jemanden, die DEG hat eine gewachsene Fanbase, die haben wir genutzt“, sagt Erlenhardt.
Nicht der einzige Unterschied zwischen Klein und Groß. Gerade im Fußball. „Die Proficlubs bieten Infrastruktur, Trainer und Ausstattung“, sagt Marie-Luise Klein. Die Professorin für Sportmanagement und Sportsoziologie an der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt sich die sich seit Jahren mit „Vermarktungspotenzialen im Frauenteamsport“. Sie hat beobachtet, wie aus einer Bundesliga, in der kleine Vereine aus Städten wie Siegen, Bad Neuenahr und Bergisch Gladbach den Ton angaben, eine wurde, in der bekannte Männer-Vereine sieben der zwölf Teams stellen. Neben Wolfsburg und München mischen Hoffenheim, Freiburg und Duisburg mit. Und als Leverkusen und Mönchengladbach abstiegen, kamen dafür Werder Bremen und der 1. FC Köln hoch.
International sieht es ähnlich aus: Im Halbfinale der Champions League standen jüngst Paris St. Germain, Olympique Lyon, Manchester City und der FC Barcelona. Allesamt große wie reiche Vereine aus dem Männer-Fußball, die erst seit wenigen Jahren verstärkt in ihre Frauen investieren.
Beim deutschen Branchenkrösus aus Wolfsburg tun sie das seit der Heim-WM 2007. Laut „Handelsblatt Online“ soll das Team schon vor drei Jahren über einen Etat von 3,5 Millionen Euro pro Saison verfügt haben. Faktisch seien die Unterschiede zu den kleinen Clubs, die nicht mal ein Drittel davon haben, sogar noch größer, sagt die Wissenschaftlerin Klein. „Die Infrastruktur eines Profi-Vereins ist in das Budget nicht eingerechnet, weil sie ja zu den Männern gehört, aber natürlich wird sie auch von den Frauen genutzt.“ Gerade in Wolfsburg komme hinzu: Neben den höheren Gehältern ist der Wechsel mit Berufschancen verbunden. Fast das gesamte Team arbeite bei VW oder Partner-Unternehmen.
Das verändert auch die Nationalmannschaft. Im Kader des Weltmeister-Teams von 2007 standen nur zwei Spielerinnen aus großen Männer-Vereinen, zehn Jahre später, bei der EM vor wenigen Wochen in den Niederlanden, waren es 16. Die kleinen Clubs, die den Frauenfußball jahrzehntelang am Laufen hielten, verlieren an Einfluss — und haben Angst um ihre Existenz.
Dass sie verschwinden oder geschluckt werden, wenn die Großen ernst machen, ist keine unberechtigte Angst. Die Frauen von Bayer Leverkusen spielten früher für den TuS Köln, der FC Köln übernahm den FFC Brauweiler. Der 1. FC Mühlhausen und der VfB St. Leon wurden 2006 von der TSG Hoffenheim übernommen, auch Krösus Wolfsburg hatte nicht selbst begonnen, sondern 1997 den VfR Eintracht Wolfsburg übernommen, der 1984 im Pokalfinale stand und 1990 zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga gehörte. 1975 wechselte die SpVgg Freiburg-Wiehre zum SC Freiburg.
Dem DFB gefällt das, weil Zuschauerzahlen und Sponsoreneinnahmen steigen, weil das Fernsehen nun überträgt, und weil die Spitze breiter werde: „Das Niveau ist ausgeglichener, davon profitieren alle“, sagte Doris Fitschen, beim DFB für die Vermarktung des Frauenfußballs verantwortlich, dem „Handelsblatt“.
Professorin Marie-Luise Klein sieht das ähnlich: „Sportlich ist das eine gute Entwicklung, weil durch die besseren Möglichkeiten auf der Höhe der Zeit trainiert und betreut wird, wirtschaftlich entsteht durch Clubs wie die Bayern eine ganz andere Dynamik, das Bayern-Image überträgt sich. auf Mannschaft und Liga.“
Trotzdem warnt auch sie: „Wenn große Vereine ihr Interesse verlieren, kann ein Ort seine Frauenfußballstruktur verlieren.“ In Bochum und Hamburg war das der Fall. Auch VfL und HSV waren einst dabei, um Geld zu sparen, wurden die ersten Mannschaften nach einigen Jahren aber aus den höheren Ligen zurückgezogen. Nun wird nur noch unterklassig gekickt.
In Duisburg haben sie das verhindert. Durch den Übertritt um MSV spielt die Mannschaft weiterhin in der ersten Liga. Doch nicht mehr um den Titel, um den streiten sich nun die großen Männer-Vereine.