Infantinos FIFA-Coup: Top-Job für Frau
Mexiko-Stadt (dpa) - Eine Frau aus Afrika im Top-Job und ein satter Bonus für alle Mitglieder trotz schwieriger Finanzlage: Gianni Infantino hat nach nur elf Wochen im Präsidentenamt für revolutionäre Entscheidungen in der 112-jährigen FIFA-Geschichte gesorgt.
Doch mitten in die Botschaften für eine neue skandalfreie FIFA platzte beim 66. Ordentlichen Kongress des Fußball-Weltverbandes die Nachricht vom Unmut des wichtigsten Reformers. Chefaufseher Domenico Scala verließ am Freitag aus Protest die Veranstaltung im Centro Banamex von Mexiko-Stadt, weil er durch einen FIFA-Beschluss die Unabhängigkeit seiner Audit- und Compliance-Kommission untergraben sieht.
Dieser Konflikt war nicht absehbar, als Infantino seinen Personalcoup präsentierte. Völlig überraschend verkündete der Schweizer den mit Spannung erwarteten Beschluss zum neuen Generalsekretär. Die senegalesische Diplomatin Fatma Samoura soll dem als Altherren-Club verschrienen und von Skandalen erschütterten Weltverband wieder zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen. „Ich kann verkünden, die Krise ist vorbei. Wir sind wieder auf Kurs“, sagte Infantino in seinem Schlusswort - noch nicht ahnend, dass der Scala-Abgang ihn später beschäftigen würde.
Samoura ist die erste Frau in diesem Amt. All ihre Vorgänger seit 1904 kamen aus Europa. Fußball-Expertise hat sie nicht, aber jede Menge Erfahrung in Krisensituationen. „Besonders wichtig für die FIFA ist, dass sie weiß, dass Transparenz und Rechenschaftspflicht im Zentrum jeder gut geführten und verantwortungsbewussten Organisation stehen müssen“, sagte Infantino über seine künftig wichtigste Mitarbeiterin. Der bisherige Generalsekretär Jérôme Valcke - jahrelang Vertrauter des gestürzten FIFA-Chefs Joseph Blatter - hatte seinen Posten wegen Korruptionsverdachts räumen müssen.
Angesichts der Strahlkraft dieser Entscheidung gingen Verzögerungen im Reformprozess nahezu unter. Nur drei neue unabhängige Mitglieder für die Governance-Kommission konnten gewählt werden. Nach dpa-Informationen haben mehrere Funktionäre den Integritätscheck nicht bestanden. Daher wurde die Wahl ausgesetzt und das Council beauftragt, diese vorläufig zu ernennen. Und genau das will Scala nicht akzeptieren. Ein möglicher Rücktritt des Italo-Schweizers wäre ein Rückschlag für Infantino.
Karl-Heinz Rummenigge gehört derweil künftig dem Stakeholder-Komitee der FIFA an. Zu neuen FIFA-Mitgliedern wurden das Kosovo und Gibraltar ernannt und können damit schon an der WM-Qualifikation für 2018 teilnehmen.
„Ich glaube, diese Rolle passt perfekt zu meinen Fähigkeiten und Erfahrungen“, wurde Samoura in einer FIFA-Mitteilung zitiert. Die Geschäfte will sie Mitte Juni aufnehmen. Zuvor muss sie sich noch dem eingeführten Integritätscheck unterziehen. „Die FIFA hat einen neuen Ansatz ihrer Arbeit - und ich will eifrig eine Rolle spielen, damit der Ansatz effektiv und dauerhaft ist“, sagte Samoura.
Samouras Ernennung wurde mit freundlichem Applaus bedacht. Mit 100 Prozent Zustimmung genehmigten die Delegierten dann das überarbeitete Budget bis 2018. Damit wurde auch die Zuwendung von fünf Millionen Dollar pro Verband bewilligt. Dieses Wahlversprechen hatte Infantino vor seiner Wahl im Februar gemacht.
Der FIFA-Etat wird dadurch mit 1,178 Milliarden Dollar belastet. Allerdings: Die Höhe der Zuwendung ist auch an Bedingungen geknüpft, wie Infantino erläuterte. So müssen sich die Verbände unter anderem im Jugend- und Frauenfußball engagieren, um die volle Höhe einzustreichen. Infantino erneuerte seinen Vorschlag, dass reiche Verbände ärmere unterstützen könnten.
Im Jahr 2015 hatte die FIFA ihre Finanzkalkulation um 122 Millionen Dollar verfehlt. Grund dafür sind hauptsächlich Anwaltskosten durch die diversen Korruptionsskandale. Zum Ende des Zyklus solle in zwei Jahren dennoch ein Gewinn von 100 Millionen Dollar stehen, kündigte Interimsgeneralsekretär Markus Kattner an. Einnahmesteigerungen verspreche man sich durch den Verkauf von Marketing- und TV-Rechten.
Diese Zahlen wird dann auch schon Samoura verantworten müssen. Sie arbeitet seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen Funktionen für die Vereinten Nationen. Derzeit ist die 54-Jährige Vertreterin des Entwicklungsprogramms der UN in Nigeria. „Sie ist daran gewöhnt, große Organisationen zu leiten und große Budgets zu verwalten“, sagte Infantino.
Er hatte angekündigt, den wichtigen Posten noch in diesem Sommer zu besetzen. Nun wurde die Personalie schon im Council des Weltverbandes am Freitagmorgen in der mexikanischen Hauptstadt behandelt. Infantino war zuletzt unter Druck geraten, da die Suche nach dem Top-Manager viel Zeit beanspruchte. Im Führungsdiagramm der FIFA ist der Posten des Generalsekretärs mit der meisten Macht ausgestattet. Samoura wird die Tagesgeschäfte des Weltverbandes führen und ist für alle strategischen Entscheidungen zuständig.