WM soll Russlands Fußball aus dem Abseits helfen
Moskau (dpa) - Ein Jahr nach einer der bittersten Niederlagen meldet sich Russlands Fußball glanzvoll zurück: Das größte Land der Erde steht als Gastgeber der WM 2018 fest. Noch im November 2009 hatte die Sbornaja mit einer 0:1-Pleite in Slowenien die fest eingeplante WM 2010 in Südafrika verpasst.
Doch Sporttradition und milliardenschwere Sponsoren können kaum verdecken, dass die meisten der 16 Spielstätten der WM 2018 derzeit außer Computeranimationen wenig vorzuweisen haben. Schon jetzt ist allwöchentlich bei Partien der Premier Liga zu besichtigen, dass Russlands Fußball weitgehend noch in den Kinderschuhen steckt.
„Die meisten Stadien sind wie vor dem ersten Weltkrieg“, schimpft Russlands niederländischer Fußball-Nationaltrainer Dick Advocaat. „Der Verband müsste zu den Clubs sagen: Wer nicht in vier Jahren ein neues Stadion hat, steigt ab. So viele hungrige Talente und soviel Geld - das muss man doch nutzen“, fordert Advocaat. So fristen die Moskauer Traditionsvereine ZSKA und Dynamo derzeit vor durchschnittlich 5000 Zuschauern in einer Ausweicharena am Stadtrand ein Schattendasein. Auch das Fernsehen macht wenig Lust auf Fußball: Live-Übertragungen enden sofort nach Abpfiff, und Bilder vom Spieltag gibt es erst am späten Sonntagabend.
Dabei ist das Niveau der Spiele oft nicht schlecht. Stars wie der Japaner Keisuke Honda (ZSKA) oder der Ex-Hoffenheimer Carlos Eduardo (Rubin Kasan) sorgen für Erfolge ihrer Teams auch in europäischen Wettbewerben. Der Meister der schon abgeschlossenen Saison, Zenit St. Petersburg, gewann 2008 den UEFA-Pokal. Ab 2012 kommt es gar zu einer „Revolution“: Die derzeit von Februar bis November dauernde Saison wird dann auf den westlichen Rhythmus mit Winterpause umgestellt.
Für Befürworter einer WM in Russland lag der Zauber der Bewerbung sicher auch in der reichen Vergangenheit mancher Spielorte. WM- Partien werden in Kaliningrad - dem früheren Königsberg - an der Ostsee sowie in der ehemaligen Zarenmetropole St. Petersburg und in Wolgograd, das bis 1961 Stalingrad hieß, zu sehen sein. Auch die Städte Jekaterinburg am Ural, Rostow am Don und Sotschi am Schwarzen Meer versprechen ein stimmungsvolles Turnier. Auf Kritik nach zu großen Entfernungen im Riesenreich entgegnet der deutsche Ex- Nationalspieler Kevin Kuranyi von Dynamo Moskau, die Reisewege seien deutlich kürzer als bei der WM 1994 in den USA.
Auf die Vergabe des Turniers nach Russland hatten Politiker, Sportfunktionäre und einfache Bürger mit patriotischer Begeisterung reagiert. Abgeordnete der Staatsduma sprachen von der „endgültigen Wiedergeburt der Sportweltmacht Russland“. Die politische Marschrichtung hatte in den vergangenen Jahren Regierungschef Wladimir Putin vorgegeben, eigentlich eher ein leidenschaftlicher Wintersportler. „Ich habe nie daran gezweifelt, dass unsere Bewerbung Erfolg haben wird“, erklärte Putin nach dem Triumph von Zürich, wo der Fußball-Weltverband FIFA entschieden hatte.
Kritik aus dem Ausland, wonach Geld die entscheidende Rolle bei der Vergabe gespielt habe, wies Sportminister Witali Mutko zurück. Mehr als 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sei es höchste Zeit für die erste Fußball-WM in Osteuropa, unterstrich er. Doch außer dem Ball soll 2018 auch der Rubel rollen: Russland stellt der FIFA satte Millionengewinne in Aussicht. Aus der russischen Wirtschaft seien über eine Milliarde US-Dollar in das Sponsoring der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi investiert worden, hatte Mutko in Zürich gesagt. Da Fußball in Russland Sportart Nummer 1 sei, könne die FIFA bei einer WM mit noch höheren Zuwendungen rechnen.