„Rückständig und korrupt“ - Russland organisiert WM
Moskau (dpa) - „Wirtschaftlich rückständig und korrupt“ - so hat selbst Kremlchef Dmitri Medwedew Russlands größte Probleme immer wieder benannt. Seine Reaktion auf die WM-Vergabe 2018 dürfte deshalb so begeistert ausgefallen sein, weil er sich von dem Spektakel wirtschaftlich viel verspricht.
Doch selbst die Glitzermetropolen Moskau und St. Petersburg sind bislang alles andere als reif für eine WM. Obgleich das Land eine reiche Rohstoffmacht ist, leidet es an einer extrem maroden Infrastruktur: Es fehlt an Straßen, Hotels, Flughäfen - und vor allem an Stadien für die Fußball-WM. Für die immer wieder beschworene Modernisierung hat Medwedew zuletzt auch Deutschland als Premiumpartner eingeladen. Doch deutsche Unternehmen in Russland stöhnen schon seit langem über Extrem-Bürokratie, Schmiergeldkultur, Zollprobleme und technische Arbeitshindernisse.
Die WM-Gastgeberrolle stellt das flächenmäßig größte Land der Erde auf allen Ebenen vor einen immensen Aufwand: Zehn Milliarden Dollar (7,6 Mrd. Euro) werde allein der Bau neuer Stadien kosten, wie Regierungschef Wladimir Putin sagte. 13 der 16 vorgesehenen Spielstätten in den 13 Austragungsorten müssen erst noch errichtet werden. Mindestens 40 000 Plätze soll jede Arena haben.
Die Kosten für die Stadien will Putin vor allem staatlichen Großunternehmen und Oligarchen aufdrücken. Immerhin erwartet Finanzminister Alexej Kudrin bis 2013 ein jährliches Haushaltsdefizit von um die drei Prozent. Und schon jetzt lasten nicht nur die Ausgaben für die Olympischen Spiele 2014 im Schwarzmeerkurort Sotschi schwer auf dem Budget, das vor allem von den Weltmarktpreisen für Öl, Gas und andere Rohstoffe abhängt. Das Land erwartet in den kommenden drei Jahren jeweils 4 bis 5 Prozent Wirtschaftswachstum.
Tief in die Tasche greifen soll der Multimilliardär Roman Abramowitsch, Besitzer des Londoner Fußball-Clubs FC Chelsea. „Wir wissen, dass er sich aufmerksam um die Entwicklung des russischen Fußballs kümmert“, sagte Putin in Zürich nach dem WM-Zuschlag. Daneben soll etwa der Ölkonzern Lukoil die Sanierungskosten des Spartak-Stadions in Moskau übernehmen und das Geldinstitut VTB die Ausgaben für das Dynamo-Stadion. In St. Petersburg sei der Staatsmonopolist Gazprom in der Pflicht.
Russland werde alle Infrastrukturfragen lösen, versicherte Putin. „Ein Risiko gibt es immer. Aber wer nichts riskiert, trinkt am Ende auch keinen Champagner.“ Das Land will in den kommenden Jahren gleich mehrere sportliche Großereignisse stemmen, neben den Olympischen Spielen erstmals auch ein Formel-1-Rennen 2014 in Sotschi. Doch Experten warnen angesichts der Sotschi-Erfahrungen, dass die Kosten - nicht zuletzt wegen der Korruption - für die WM explodieren könnten.
Die für die Winterspiele zunächst veranschlagten Kosten haben sich längst auf über 30 Milliarden US-Dollar mehr als verdreifacht - berechnet nur bis 2012. Hinzu kommen Privatinvestitionen in Milliardenhöhe. Die bisher für die WM genannten Zahlen seien deshalb nur „ein Tropfen im Meer“, kommentierte die Zeitung „Kommersant“. Ein Grundproblem sei außerdem der kolossale Mangel an Hotels sogar in Moskau, der größten Metropole Europas.
Von den etwa 55 000 Zimmern in der russischen Hauptstadt seien nur etwa 11 000 auf internationalem Niveau. Experten haben ausgerechnet, dass die Stadt derzeit nur etwa 65 000 Gäste gleichzeitig unterbringen könnte. „Zum Vergleich: Die Fußball-WM in Südafrika in diesem Jahr besuchten 300 000 Fans“, schrieb das Blatt.