Katar-Wahl verblüfft die Fachleute: „Unglaublich“
Berlin (dpa) - Von Bayern-Coach Louis van Gaal bis Altstar Günter Netzer: Die deutschen Fußball-Fachleute sind verblüfft und teilweise geschockt von der WM-Entscheidung pro Katar.
„Der Fußball müsste immer an erster Stelle stehen“, betonte der ehemalige niederländische Nationalcoach van Gaal in München und bezeichnete die Weltmeisterschaft 2022 im Wüstenstaat als „unglaublich“ und „nicht die richtige Wahl“.
Auch Jürgen Klopp, Trainer des Bundesliga-Spitzenreiters Borussia Dortmund, kommentierte das Votum der FIFA kritisch. Er wisse nicht, „wie das ablaufen soll. Aber es wird sicher Gründe für diese Entscheidung gegeben haben“, sagte Klopp.
Die gesamte Entscheidung des Weltverbandes FIFA für Russland als WM-Gastgeber 2018 sowie für Katar vier Jahre später kommentierte van Gaal süffisant: „Das sind reiche Länder.“ Der 59-Jährige erinnerte auch an die Hitzespiele bei der Weltmeisterschaft 1994 in den USA, als aus TV-Übertragungsgründen teilweise mittags gespielt werden musste. „Das kann nicht wahr sein“, kritisierte van Gaal, der sich bereits im Januar beim ersten Trainingslager des FC Bayern in Katar ein persönliches Bild machen kann. Dann aber herrschen mit rund 20 Grad im Gegensatz zur WM-Zeit im Sommer (40 bis 50 Grad) angenehme Temperaturen.
Der wichtigste Punkt werde es sein, „unter welchen Bedingungen Training und Spiele stattfinden. Wenn alles klimatisiert ist, sehe ich aus medizinischer Sicht nicht so ein großes Problem“, sagte der Mannschaftsarzt des deutschen Fußball-Nationalteams, Tim Meyer. Im Freien aber sei Fußball schon schwierig, machte Meyer mit Hinweis auf das Länderspiel des DFB-Teams im Sommer 2009 in Dubai gegen die Vereinigten Arabischen Emirate (7:2) deutlich: „Die Spieler haben unter den Temperaturen ganz schön gelitten, obwohl der Gegner nicht der stärkste war.“
Bei einem WM-Turnier 2022 in Katar müsse man sich mit den Problemen klimatisierter Räume, zum Beispiel mit der meist sehr trockenen Luft, auseinandersetzen, sagte der Ärztliche Direktor am Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes. Es gebe in Katar nicht nur sehr hohe Temperaturen, sondern auch eine massive direkte Sonneneinstrahlung.
Es werde für das Emirat eine „sehr große Herausforderung“, ein WM-Turnier in der Wüste auszurichten, meinte Ex-Nationalspieler Günter Netzer. „Ich bin gespannt, was die alles auf die Beine stellen. Die Bewerbung lässt ja einiges erahnen. Ich bin mir sicher, dass es gigantisch, einzigartig und neuartig wird.“
Die Entscheidung für Katar habe ihn überrascht, die zugunsten von Russland nicht, erklärte Wolfgang Holzhäuser, Geschäftsführer von Bundesligist Bayer Leverkusen. „Ich bin aber überzeugt, dass beide Länder hervorragende Weltmeisterschaften organisieren werden“, sagte Holzhäuser. Auch BVB-Chefcoach Klopp sieht die Wahl für 2018 positiv: „Russland ist eine Wahl, mit der ich gut leben kann. Für die Russen ist es eine große Chance, sich der Welt zu präsentieren. Und wir erhalten die Chance, dieses große Land besser kennenzulernen.“