Stadion-Geschichten Sehnsuchtsort Grotenburg – KFC-Fans erzählen

Krefeld · Seit dem Aufstieg in die 3. Fußball-Liga kann Uerdingen nicht in der Grotenburg spielen. Viele Anhänger sind genervt und sagen, warum eine Rückkehr so wichtig wäre.

Harald-Udo Grassen, Fan-Beauftragter des KFC Uerdingen, würde gerne wieder im Stadion stehen statt davor zu sitzen.

Foto: Dirk Jochmann

Fan des KFC Uerdingen zu sein, erfordert Leidensfähigkeit. Nach Jahren in Amateurligen ist der KFC seit Sommer 2018 zurück im Profifußball. Ein Grund zur Freude könnte man meinen, doch genießen können viele Fans das nicht. Was sie stört: Statt die Gegner in der Grotenburg zu empfangen, spielen die Uerdinger in Nachbarstädten. Das eigene Stadion erfüllt die Anforderungen für die 3. Liga nicht. Nach einem Jahr in Duisburg finden nun Heimspiele in Düsseldorf statt. Womöglich geht es in der nächsten Saison so weiter – in der Arena von Fortuna oder anderswo. Das weiß keiner so genau.

Der Umzug in die Fremde und die Sanierung der Grotenburg scheinen zur ewigen Geschichte zu werden. Im Januar soll es ein Fantreffen geben, auf dem Stadt, Verein und Architekten nähere Informationen und Maßnahmen vorstellen wollen. Die KFC-Fans hoffen, dass Klub und Verwaltung endlich einen konkreten Zeitplan präsentieren.

Viele Verantwortliche wissen um die Wünsche der Anhänger. KFC-Geschäftsführer Frank Strüver sagt: „Wenn ich mich mit Leuten aus Krefeld oder der Umgebung unterhalte, wird sofort mit leuchtenden Augen von der Grotenburg erzählt. Jeder hat eine besondere Beziehung, eine einzigartige Anekdote zu diesem Stadion.“ Die Grotenburg sei ein emotionaler Fixpunkt für Krefeld und die Krefelder. Deshalb sei es so bedauerlich, dass das Wohnzimmer des Vereins in der Vergangenheit so in den Dornröschenschlaf gefallen sei. „Durch das Wiedererstarken unseres KFC Uerdingen besteht nun die Chance, irgendwann neue, große Geschichten zu schreiben“, sagt Strüver. Umso mehr freue er sich, dass „alle Beteiligten alles dafür geben, dass unser Traditionsklub möglichst bald wieder in seiner Traditionsheimat spielen kann.“ Die Sehnsucht nach der Heimat ist bei den Fans tatsächlich riesig. Doch warum fehlt ihnen die Grotenburg so? Vier Uerdinger erzählen.

Harald-Udo Grassen, 53 Jahre, Fan-Beauftragter: „Wenn ein Verein kein Stadion mehr hat, geht die Heimat verloren. Das ist nicht nur beim KFC so, man stelle sich vor, die Pinguine hätten keine Rheinlandhalle oder keine Yayla-Arena mehr. Tatsächlich ist der KFC in Krefeld kein Einzelfall. Durch die geplante Schließung von Sportplätzen droht aktuell kleineren Vereinen wie dem SC Viktoria ein ähnliches Schicksal wie dem KFC. Für uns ist es doppelt schlimm, da wir auch kein Vereinsheim haben.

Mit Spielen in Düsseldorf oder Duisburg verliert der KFC die Bindung zu Menschen in der Stadt. Mit Öffentlichem Personen Nahverkehr dauert es eine gute Stunde bis nach Düsseldorf zum Stadion. Viele ältere Menschen und Jugendliche können deshalb nicht kommen. Den Eltern passt es nicht, wenn ihre Kinder so weit unterwegs sind. So wird es schwer, Nachwuchs für die Fanszene zu gewinnen.

Das ist schade. Jahrelang, als wir in den unteren Ligen waren, habe ich von Flutlichtspielen gegen Kaiserslautern oder 1860 München geträumt. Natürlich bei uns in der Burg. Dort haben alle ihre angestammten Plätze, das fehlt in anderen Stadien. Der Heimvorteil ist aktuell keiner mehr. Womöglich hätten wir zehn Punkte mehr pro Jahr im eigenen Stadion.

Bei unseren Auswärtsfahrten sehen wir überall grottige Stadien, sei es in Meppen, Würzburg oder bei Viktoria Köln. Das tut weh, weil kaum zu verstehen ist, warum die Grotenburg nicht zu bespielen ist. Zudem fragen sich viele, warum die Sanierung so lange dauert.

Es soll ja kein Luxusstadion gebaut werden, sondern nur Standardanforderungen des DFB umgesetzt werden. Man stelle sich eine öffentliche Immobilie ohne ebenerdige Behindertentoilette vor.

Mit der Burg haben wir ein Oldschool-Stadion, wie es im Buche steht – ein Ort für Nostalgiker. In der Sport- und Fußballszene ist es ein Begriff. Dabei geht es nicht nur um den KFC, sondern die ganze Stadt Krefeld. Das Stadion ist schließlich für die ganze Stadt gut. Früher konnten hier Frauen- und Jugendländerspiele stattfinden. Das war Werbung für Krefeld.

Bei den Fans sehe ich mittlerweile eine gewisse Ermüdung. Am Anfang dachten viele, dass es eine positive Entwicklung ist, wenn sich endlich am Stadion etwas tut. Doch nun warten wir schon lange. Der große Traum ist, im August zu Saisonbeginn oder nach drei oder vier Spielen in der neuen Saison zurückzukehren. Das muss doch möglich sein. Schließlich schaffen es zum Beispiel Karlsruhe oder Jena, Städte, die auch nicht mit viel Geld gesegnet sind, ähnliche Stadion-Projekte umzusetzen.“

Christian Frohwerk, 33 Jahre, Dauerkartenbesitzer: „Die Situation ist eine Vollkatastrophe. Wir haben keinen Heimvorteil mehr und keine Stimmung. Das Stadion in Düsseldorf ist viel zu groß. Kein Gegner sagt mehr: „Oh Gott, wir fahren in die Grotenburg.“ Der Block K mit dem harten Kern unserer Fans konnte den Ball ins Tor schreien. Das fehlt in fremden Stadien, in denen wir unsere Spiele austragen müssen.

Ich könnte wirklich heulen. Ich wohne fünf Minuten von der Grotenburg entfernt, habe seit einigen Monaten eine lebenslange Dauerkarte. Mit der war ich noch nie im eigenen Stadion. Manchmal stehe ich vor der Grotenburg und verstehe nicht, warum ich nicht rein darf.

Christian Frohwerk hat seit einigen Monaten eine lebenslange Dauerkarte für Spiele des KFC. In der Grotenburg war er damit noch nie.

Foto: Dirk Jochmann

Seit 25 Jahren bin ich als Fan dabei und fahre immer auswärts mit. Da gibt es viele Bruchbuden wie in Würzburg, bei denen ich nicht verstehe, warum wir nicht in der Grotenburg spielen dürfen. In Düsseldorf fehlt mir auch dieses Stadion-Feeling. Das ist eine Halle. In der Grotenburg ist es kalt, da holst du dir mal einen Glühwein und es riecht nach Bratwurst. Die Grotenburg fühlt sich nach Fußball an. In Düsseldorf fühlt es sich nach Popkonzert an. Da freue ich mich auf die Auswärtsspiele mehr als auf Heimspiele.

Mit dem eigenen Stadion verbinde ich auch etliche Erinnerungen. Das sind die Scheiß-Erinnerungen wie Oberligaspiele vor 700 Zuschauern, aber auch viele schöne. Ich weiß noch, wie mein Papa mich mitgenommen hat, als der Verein noch Bayer Uerdingen hieß. Ich habe so viele Freunde im Stadion kennengelernt und Menschen, die mit Herzblut dabei sind.

Jetzt gehen uns vor allem kurzentschlossene Krefelder verloren. Das kann ich sogar verstehen. Ich würde auch nicht zu den Handballern von der HSG gehen, wenn die plötzlich in einer Halle in St. Tönis spielen würden.

Mittlerweile habe ich sogar gehört, dass manche Fans für Spiele in der Grotenburg mit dem KFC wieder in eine schlechtere Liga gehen würden. Darüber habe ich keine Sekunde nachgedacht. Denn zumindest sind wir zurück im Fernsehen und zurück im bezahlten Fußball. Dennoch muss sich an der Stadion-Situation rasch etwas ändern. Der momentane Zustand verhindert Euphorie.“

Johannes Floehr, 28 Jahre, Fan und Uerdinger Autor: „Vielleicht ist die Sanierung der Grotenburg für absehbare Zeit die einzige, große Chance für die Stadt Krefeld. Sie ist identitätsstiftend, gerade für die jüngeren Menschen, die noch nicht ins typische, lähmende Meckern über alles, was in Krefeld passiert – oder eben nicht passiert – verfallen sind. Sie ist Sehnsuchtsort für tausende KFC-Fans, aufgrund seiner Historie aber auch interessant für Millionen Fußballfreund*innen fernab des Niederrheins – und nebenbei dürften sich die hiesigen Restaurants, Kneipen und Hotels über die nicht unerheblichen Zusatzeinnahmen freuen, wenn der Heimspielgegner nicht Hiesfeld oder Wülfrath, sondern Kaiserslautern oder München heißt.

Selbst, wer sich überhaupt nicht für Fußball interessiert, muss doch wahrnehmen, welche Strahlkraft ein erfolgreicher, sympathischer und moderner Fußballverein haben kann und dass sowohl eine Heimstätte als auch breite Akzeptanz in der eigenen Stadt dafür die Grundvoraussetzungen sind. Ich möchte in zehn Jahren Fan eines Vereins sein, der möglichst attraktiven und hochklassigen Fußball spielt, aber sich auch sozial engagiert, professionelle Jugendarbeit vorweisen kann, vielleicht wird es ja endlich mal was mit einer Frauenabteilung.

Aktuell jedoch habe ich eher den Eindruck, viele Menschen in der Stadt könnten gar nicht genug Häme über den Verein übergießen, obwohl trotz aller größerer, kleinerer und teils peinlicher Fehler seit Jahren gute Arbeit geleistet wird. Dazu der latente, widerliche Alltagsrassismus gegenüber dem streitbaren, aber enthusiastischen Präsidenten, dem ich zugutehalte, dass er im Gegensatz zu vielen Personen in der Stadt glaubhaft vorlebt, dass es ihm nicht egal ist, was mit und in Krefeld passiert. Aber vor allem möchte ich Fußball in der Grotenburg sehen, so schnell wie möglich. Eine Rückkehr zur kommenden Saison scheint unwahrscheinlich, das 7:3 gegen Dresden war es aber auch. Keine Kompromisse mehr. Damit Fußball endlich von der langen Liste der Dinge, für die ich als Krefelder in andere Städte fahren muss, verschwindet.

Daniel Staude, 37 Jahre, Dauerkartenbesitzer: „Das größte Problem ist die Ungewissheit, wann es nach Hause geht. Nun werden wir zwei oder zweieinhalb Jahre nicht in der Grotenburg spielen. Wir Fans sehen kein Ende, auf das wir hinarbeiten können. Selbst auf der Mitgliederversammlung haben wir nichts Konkretes zur Zukunft des Stadions gehört. Schade ist, dass die Leute an der Grotenburg auch keine Veränderung sehen. Letztens stand zumindest mal ein Bagger davor. Das Bild hat im Internet schon für Euphorie gesorgt. Das zeigt, wie groß die Sehnsucht ist. Von der aktuellen Situation sind viele genervt.

Momentan haben wir keine Heimspielatmosphäre. Das kostet sicher Punkte, da uns dieser Vorteil fehlt. Und in der kommenden Saison müssen wir uns womöglich auf ein drittes Stadion einstellen. Klar, der harte Kern würde auch nach Hamburg fahren, wenn wir da unsere Heimspiele austragen. Trotzdem fehlt uns etwas. Wir können uns nicht mehr vor dem Spiel am Großmarkt treffen oder grillen und dann direkt zum Stadion laufen. Wir tingeln erstmal eineinhalb Stunden nach Düsseldorf. Zudem verlieren wir Zuschauer, die ab und an mal bei einem schönen Spiel und gutem Wetter kommen. Die könnten sich eigentlich die Rosinen rauspicken. Doch die Fahrt in eine andere Stadt ist vielen Krefeldern zu aufwändig.

Eine bespielbare Grotenburg ist gut für die ganze Stadt. Sie hat einen enormen Charme und ist noch nicht so ein Baukasten wie in Gladbach oder Paderborn. Auch wirtschaftlich wäre es gut, wenn wir die Gegner in Krefeld empfangen.

Wir spielen nicht mehr gegen Rödinghausen, die 13 Fans mitbringen. In der 3. Liga kommen teils um die 1000 Auswärtsfahrer oder noch mehr. Hotels und Restaurants bekommen so mehr Gäste.

Wir brauchen endlich einen klaren Plan, wann es zurück geht. In der Außendarstellung darf sich die Sanierung der Grotenburg nicht weiter wie Kaugummi ziehen. In der sechsten Liga hatten wir auch immer die Hoffnung, dass es eines Tages wieder nach oben geht.

Dieser Traum hat sich irgendwann erfüllt. Und so lebt auch der Traum, irgendwann mal wieder in der Grotenburg ein richtiges Heimspiel zu haben!“