WM-Gruppenauslosung am Freitag Löw vor Kreml-Show ruhig - Losprobe ohne Klose und Maradona

Moskau (dpa) - Am alten Telegrafenamt im Herzen Moskaus jubelt Rio-Champion Bastian Schweinsteiger ausgelassen mit dem Goldpokal - und das den ganzen Tag immer wieder. Auf einer überdimensionalen Reklameleinwand feiern in Sichtweite des Kreml noch einmal alle WM-Siegerteams seit 1998 ihren Triumph.

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Joachim Löw wird dafür bei seiner Moskau-Premiere als Weltmeistercoach keinen Blick haben, für ihn zählt nur die Aussicht auf das historische Doppel. „Es gibt jetzt schon einen klaren Plan und klare Vorstellungen“, sagte der Bundestrainer, der vor seinem Zweitages-Trip zur WM-Gruppenauslosung in die winterlich angehauchte russische Hauptstadt noch auf einem DFB-Kongress zum Thema Spielintelligenz referierte. „Der Puls geht deswegen nicht hoch“, erklärte Löw zur Auslosungs-Gala am Freitag im Kremlpalast, bei der der russische Fußball-Olympiasieger Nikita Simonjan Deutschland die WM-Gruppe zulosen soll.

„Aber natürlich fahre ich mit Spannung dort hin: Welchen Gegner wir haben, welchen Weg wir gehen können aus unserer Gruppe heraus. Dann können wir uns ganz konkret mit anderen Mannschaften auseinandersetzen“, sagte der Bundestrainer. „Dann können wir anfangen zu arbeiten.“ Auf das wichtige WM-Basisquartier will sich Löw aber erst nach einer Beratung mit seinem Stab festlegen: „Eine Entscheidung wird nicht ad hoc in der Nacht gefällt.“

Intelligenz wird von Löw und seinen Spielern auch gefordert sein, wenn das Unternehmen Titelverteidigung im Sommer 2018 in Russland gelingen soll. Es wäre eine Premiere für den viermaligen Champion Deutschland, nur Italien und Brasilien gelang bisher die unmittelbare Wiederholung des Titels.

Immerhin könnte schon in der Vorrunde ein Gegner wie Spanien oder England auf das DFB-Team warten. „Egal wie es kommt, nervös werden wir deshalb nicht“, bemerkte der 57-Jährige. Letzmals hatte ihn 2009 eine Dienstreise nach Moskau geführt. Damals buchte sein Team im WM-Endspielstadion Luschniki das Ticket für die WM in Südafrika.

Deutschland wird am Freitag als einer der Gruppenköpfe aus Topf 1 gezogen. Die je acht Teams aus den Töpfen 2, 3 und 4 werden dann unter gewissen Ausschlusskriterien - so dürfen sich nur zwei europäische Teams in der Vorrunde begegnen - zugelost.

Doch selbst unbequeme Konstellationen wie bei der Probeauslosung mit den Gegnern Dänemark, Uruguay und Marokko werden Löw nicht beunruhigen. „Wir sind Weltmeister und Confed-Cup-Sieger. Wir werden auf wahnsinnige Widerstände stoßen. Darauf müssen wir vorbereitet sein“, erklärte der DFB-Chefcoach. „Ich bin gespannt. Kriegen wir einen dicken Brocken oder nicht? Spanien oder England muss man nicht in der Gruppe haben“, sagte Bayern-Nationalspieler Thomas Müller.

Zunächst einmal aber wird sich Löw im riesigen Saal des 1961 errichteten Palastes, in der die Sowjetunion einst ihren Parteiführern wie Nikita Chruschtschow, Leonid Breschnew und Michail Gorbatschow huldigte, entspannt zurücklehnen. Vor der eigentlichen Los-Zeremonie wird Miroslav Klose den WM-Pokal auf die Bühne tragen. Der Weltmeister und WM-Rekordtorschütze fehlte bei der Generalprobe am Donnerstag wie auch Lospate Diego Maradona. Klose reiste erst später an, Argentiniens Ex-Star plagten Schulterprobleme.

In der insgesamt einstündigen Show, moderiert von Englands Ex-Star Gary Lineker und der russischen Fernseh-Moderatorin Maria Komandnaja, will der WM-Gastgeber den 1400 Gästen in Moskau und dem TV-Publikum in mehr als 200 Ländern „russische Emotionen“ bieten mit berühmten Opern- und Tanzkünstlern auf der Bühne. Russland braucht positive Schlagzeilen. Denn durch das Dauerthema Doping und den drohenden Komplettausschluss aus den nächsten Olympischen Winterspielen in Pyeongchang ist die Sportgroßmacht unter enormen Druck geraten.

Präsident Wladimir Putin, dessen Büro nur wenige hundert Meter vom Ort der Auslosung liegt, wird als mächtigster Auslosungs-Gast dabei sein. „Ich finde es wichtig, dass man auch hinter die Kulissen blickt in dem Land, in das man geht. Das war immer unser Ansatz“, hatte Löw schon vor seiner ersten längeren Russland-Erfahrung beim Confed-Cup-Sieg im Sommer gesagt.

Löws Eindrücke von Land und Leuten sind durchaus positiv. „Wir waren schon in unterschiedlichen Städten, haben viele Menschen getroffen. Sie sind sehr gastfreundlich. Alle sind fußballbegeistert, schätzen die Deutschen sehr“, erklärte der Bundestrainer. „Und die Russen sind stolz auf ihr Land und ihre Kultur. Das ist spannend. Alle freuen sich auf die WM.“ Nationalcoach Stanislaw Tschertschessow hatte einst beim FC Tirol unter Löw gespielt. „Er war einer meiner interessantesten Spieler, mit denen ich je gearbeitet habe.“

Die WM-Lose werden Löw und seinem Stab endlich auch die Fakten liefern, wie man organisatorisch den Weg über sieben Spiele und Orte bis zum angestrebten Endspiel am 15. Juli 2018 im mittlerweile modernisierten Luschniki-Stadion angehen will. „Es geht nicht nur um die Gegner, sondern auch um den möglichen weiteren Weg im Turnier“, bemerkte Müller. Die Wahl des Hotels - Sotschi und das Moskauer Umfeld stehen als Alternativen - sieht auch der Weltmeister als wichtig an: „Aber was für ein Geist sich in einem Quartier entwickelt, hängt auch vom Verlauf der Spiele ab.“