Löw wird forscher: Spanier als Nummer 1 ablösen
Sinsheim (dpa) - Als Barcelonas überirdisches Spiel im Champions-League-Finale über einen Großbildschirm im Teamhotel „Villa Kennedy“ flimmerte, durfte sich Joachim Löw in seinen gestiegenen Ansprüchen bestätigt fühlen.
Sein Masterplan steht: Der ehrgeizige Bundestrainer möchte in naher Zukunft die Spanier als europäischen Fußball-Branchenführer ablösen. „Wir wollen in Europa irgendwann auch sportlich die Nummer eins sein“, sagte Löw selbstbewusst in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Wie er das schaffen will, hat er auch formuliert: „Ich hänge die Messlatte viel höher als früher.“
24 Stunden vor dem Testländerspiel der deutschen Nationalmannschaft am Sonntagabend in Sinsheim gegen Uruguay konnten sich Philipp Lahm und Co. beim TV-Studium des 3:1 des überlegenen FC Barcelona gegen Manchester United kollektiv anschauen, was Löw von ihnen in den kommenden Monaten und Jahren erwartet. „Das ist für meine Spieler nicht immer einfach“, betonte Löw in der „Süddeutschen Zeitung“ zu seinen neuen Ansprüchen an sein kickendes Elite-Personal.
Trotz der großen Fortschritte in den vergangenen Jahren sei Deutschland nach Spanien und England derzeit noch die Nummer drei in Europa: „Das ist Fakt“, sagte der Bundestrainer. 1996 hat das DFB-Team bei der Europameisterschaft in England den letzten Titel gewonnen - auch die deutschen Clubs konnten schon ein Jahrzehnt lang keinen internationalen Pokal mehr in den Himmel stemmen.
Löw kündigte nun ein noch härteres Auswahlverfahren an, um bei der EM 2012 oder spätestens bei der WM 2014 seine Bundestrainerzeit mit einem Titel krönen zu können. „Ich weiß jetzt, wie gut man sein muss, um die Spanier zu schlagen. Diesen Anspruch werden nicht alle unsere jungen Spieler erfüllen“, bemerkte der 51-Jährige und wies damit die junge aufstrebende Generation um die Dortmunder Mats Hummels, Marcel Schmelzer, Sven Bender und Mario Götze darauf hin, dass er nach dem imponierenden Bundesliga-Titel nun weitere Steigerungen verlangt.
„Wir hatten bei der WM Glück, dass junge Spieler wie Neuer, Müller und vor allem Özil durchgestartet sind. Sie haben uns und der ganzen Welt gezeigt, welche Klasse sie haben. Dies müssen andere noch zeigen. Die Messlatte in der Nationalmannschaft liegt höher als in der Bundesliga“, verdeutlichte Löw, der seit fünf Jahren als Chef das DFB-Team führt. 2006 WM-Dritter, 2008 EM-Zweiter, 2010 WM-Dritter - nun will Löw mehr als Lobeshymnen für den neuen deutschen Stil.
„Der Bundestrainer hat recht, dass man den Titel angreifen sollte“, stimmte Nationalspieler Lukas Podolski den noch höheren Ansprüchen zu: „Wir haben viele junge Spieler, die großes Potenzial haben. Darum beneiden uns viele Länder.“ Alle seine EM-Kandidaten müssten sich schon mit Beginn der neuen Saison auf die Endrunde in Polen und der Ukraine fokussieren, forderte Löw forsch: „Kurz vor dem Turnier wäre zu spät.“
Löw will noch stärker kontrollieren und eingreifen. „Wenn kein Fortschritt zu erkennen ist, dann reagiere ich“, kündigte er an. Ein halbes Dutzend seiner Südafrika-Fahrer hat Löw schon aussortiert und durch neue Talente ersetzt. Andere bekommen klare Vorgaben. So erklärte Löw dem zuletzt oft verletzten HSV-Profi Marcell Jansen: „Du musst jetzt im Sommer ganz konsequent was für deine Fitness tun und dann eine Saison in Hamburg professionell durchziehen - oder wir müssen auf dich verzichten.“ Gemeinsam mit Jérome Boateng (nach Knie-Operation) wird Jansen statt Urlaub nun im Juni ein Aufbauprogramm bei DFB-Partner Athletes Performance in den USA absolvieren.
„Wir hatten noch nie die Auswahl von zehn bis zwölf überdurchschnittlich begabten Spielern. Aber wer kommt davon in die internationale Spitze? Dieser Weg ist steinig und relativ lang“, bemerkte der Bundestrainer.
„Die jungen Spieler haben noch wenig Erfahrung auf internationalem Weltklasseniveau“, gestand André Schürrle, einer der Shootingstars der abgelaufenen Bundesligasaison. Doch die Weltklasse eines Xavi, Iniesta oder Villa soll für den Neu-Leverkusener und seine Kollegen in Zukunft der Maßstab sein - für Joachim Löw und seine Spieler eine überaus anspruchsvolle Aufgabe.