Hamburg Reus’ spezieller Anspruch

Hamburg. · Deutschlands Fußballer des Jahres hat sich im Hinblick auf die EM 2020 besonders viel vorgenommen. Dortmunds Kapitän will gegen die Niederlande diesmal gleich von Beginn an mitwirken.

Marco Reus nimmt einen kräftigen Schluck zur Stärkung vor dem Duell gegen die Niederlande.

Foto: dpa/Christian Charisius

Um Fußballer in Bewegung zu bringen, sind die verschiedensten Varianten denkbar. Wenn Laufübungen gleich noch die Laune heben, ist alles bestens. Bei der deutschen Nationalmannschaft haben sich die Spieler am Mittwoch zum Aufwärmen gegenseitig bunte Hütchen überreicht, ehe es nach einem Signal galt, sich gruppenweise an einer Stange zu sammeln. Wer als letzte Gruppe zusammenfand, machte gleich mal einige Liegestütze. Schallendes Gelächter tönte durchs Millerntor-Stadion im Hamburger Stadtteil St. Pauli, als Neuling Luca Waldschmidt die verkehrten Laufwege einschlug. Marco Reus hatte hingegen den Bogen raus. Ihm blieben die strafenden Kräftigungsübungen erspart. Sich instinktsicher und schnell in den richtigen Räumen zu bewegen, wird die Herausforderung für das EM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen die Niederlande im ausverkauften Volksparkstadion (Freitag 20.45 Uhr/RTL).

Reus hat die vielen Zwangspausen zu einem Reifeprozess genutzt

„Das sind große Spiele. Das ist ein Klassiker. Da steht man auf dem Platz und denkt, geil. Es gibt nichts Schöneres“, sagte Reus. Beim gebürtigen Dortmunder reichen die Erinnerungen zwar nicht bis zur EM 1988 zurück, als die deutsch-holländische Rivalität einen unschönen Höhepunkt erreichte – da war der 30-Jährige nämlich noch gar nicht geboren – aber ihm genügt es schon, sich ein Freundschaftsspiel aus 2011 ins Gedächtnis zu rufen. Ein 3:0 im Hamburger Volksparkstadion nach teils bärenstarker Leistung. Darf sich aus deutscher Sicht gerne wiederholen.

Ohnehin hat sich der Kapitän von Borussia Dortmund für diese Saison viel vorgenommen. Im Verein sowieso, aber auch im Nationalteam: 41 Länderspiele (13 Tore) sind für einen Kicker seiner Güteklasse viel zu wenig, aber was sollte der Blondschopf bei seiner Verletzungsgeschichte machen? Gerade kann er mit dem einen Kreuzbandriss auskurierenden Tempodribbler Leroy Sané mitfühlen: „Ich hatte fast dieselbe Verletzung. Es wird ein langer Weg für ihn, aber er kommt hoffentlich stärker zurück.“

Auch Reus hat die vielen Zwangspausen zu einem Reifeprozess genutzt, ohne den ihn kaum zum zweiten Male nach 2012 die Auszeichnung zu Deutschlands Fußballer des Jahres erreicht hätten. Der Kapitän von Borussia Dortmund war mit 17 Bundesliga-Toren und zwölf Vorlagen eine Leitfigur. Was bei ihm immer noch fehlt, ist ein Fußabdruck mit der DFB-Auswahl auf einer WM- oder EM-Bühne. Wenn er sich nicht wie kurz vor der WM 2014 oder EM 2016 verletzte, bekam er wenig Vertrauen (EM 2012) oder ging im Negativsog unter (WM 2018).

Marco Reus: „Es ist frischer Wind reingekommen“

Die paneuropäische EM 2020 sei für ihn etwas sehr Wichtiges, erklärte der Offensivkünstler nun. „Ich möchte mit 32, 33 einem Turnier den Stempel aufdrücken – so viele kommen bei mir nicht mehr, deshalb möchte ich noch mehr geben fürs Land.“ Seine Aufgabe sei dieselbe wie im Verein: „Ich will den Jungen helfen.“ Als Anführer, der mit Leistung vorangeht. Grundsätzlich betrachtet Reus den eingeleiteten Prozess positiv: „Es ist frischer Wind reingekommen. Die jungen Spieler bringen uns auf Strecke weiter.“ Nur sei die Mannschaft noch längst nicht da, „wo wir hinwollen, es werden noch ein paar Tiefen dazukommen.“

Nur persönliche Rückschläge braucht das Stehaufmännchen nicht mehr. Der Auftakt in die EM-Qualifikation in den Niederlanden (3:2) belegte im März einmal mehr, auf welch schmalen Grat der Spieler wandelt. Wegen muskulärer Beschwerden entschied Reus gemeinsam mit Bundestrainer Joachim Löw, in Amsterdam nicht von Beginn an aufzulaufen. „Das hat sehr, sehr wehgetan.“ Damals schafften es Sané und Gnabry in einem gut harmonierenden Doppelsturm, dem Abwehrriesen Virgil van Dijk ein, zwei Knoten in die langen Beine zu spielen.