Trainingscamp in Eppan DFB-Leitwölfe betonen den Jogi-Faktor
Eppan. Bei herrlichem Sonnenschein radelte Manuel Neuer als einer der Ersten auf das Trainingsgelände in Eppan. Thomas Müller wählte die bequeme Variante mit dem E-Bike. Und Mats Hummels winkte gut gelaunt vom Mountainbike den zahlreichen Fans am Wegesrand zu.
Auch ein kleiner Junge im Deutschland-Trikot mit „Götze“-Aufdruck freute sich über den kurzen Blick auf die Stars. Denn als der schwarze Mannschaftsbus mit den übrigen Nationalspielern auf die Trainingsanlage in Eppan gefahren war, schlossen sich die Tore.
Joachim Löw ließ am vorletzten Tag des Vorbereitungs-Camps in Südtirol im Geheimen hinter Sichtschutz üben für den letzten WM-Test gegen Saudi-Arabien. Der Stimmungsdämpfer des 1:2 gegen Österreich soll am Freitag (19.30 Uhr) in Leverkusen korrigiert werden. „Wir haben im Training sofort die Intensität aufgenommen. Wir wissen, dass wir uns entwickeln müssen“, berichtete Vize-Kapitän Sami Khedira.
Es sind die Weltmeister von Brasilien, die das Kommando übernommen haben und zielstrebig vorangehen. „Wir haben diese Generation um den 88er-Jahrgang, der schon U21-Europameister geworden ist. Dieser Kern ist seit 2010 Kern der Nationalmannschaft. Wir haben die Erfahrung, wir haben das Talent, weil diese Spieler auch in ihren Vereinen und Ligen seit Jahren die Leistungsträger sind, die große Titelsammlungen hinter sich haben. Wir sind an einem guten Zeitpunkt“, sagte Müller. „Ich bin sehr positiv gestimmt für die WM.“
Neuer (32), Boateng (29), Hummels (29), Khedira (31), Kroos (28), Müller (28), Özil (29) - diese Stammkräfte von 2014 bilden auch das Gerüst der WM-Formation von Bundestrainer Löw für Russland. „Wir sind eine gut eingespielte Mannschaft“, betonte Abwehrspieler Hummels.
Die Mischung aus immenser Erfahrung und aufstrebender Jugend (Timo Werner, Joshua Kimmich) passt. „Ich denke, dass wir qualitativ mit der 2014er-Mannschaft auf Augenhöhe sind, wenn nicht sogar besser“, sagte Titel-Spezialist Kroos. Torjäger Mario Gomez (32), der älteste Akteur im Aufgebot, spricht von „einem spannenden Mix“ im Team.
Mittelfeldchef Kroos, der mit drei Champions-League-Siegen am Stück mit Real Madrid vorgemacht hat, wie man Titel erfolgreich verteidigt, hat eine klare Vorstellung davon, wie das auch der Nationalelf gelingen könnte. Der 28-Jährige empfiehlt ein Brasilien-Revival mit Teamgeist, Willenskraft und Abwehrstärke als Schlüssel für Erfolg.
„Es wird entscheidend sein, dass wir für unsere Gegner unangenehm zu spielen sind, dass jeder sagt: Okay, Deutschland wollen wir lieber nicht! Wenn wir da hinkommen, haben wir alle Möglichkeiten, auch die Top-Nationen zu schlagen“, sagte Kroos in Eppan. Aktuell sieht er noch Defizite. „Was da sein muss, ist die Hingabe zu verteidigen. Wir haben 2014 im ganzen Turnier kaum Gegentore bekommen - und das war kein Zufall. In letzter Zeit haben wir deutlich mehr Tore bekommen - und das ist auch kein Zufall“, sagte der 82-malige Nationalspieler. In den sieben WM-Partien 2014 kassierte Neuer nur vier Treffer.
Kroos erwartet beim Titelkampf 2018 mehr Widerstand. „Ich glaube, dass fast alle Topnationen besser sind als 2014. Frankreich ist besser. Brasilien ist zwei Klassen besser. Spanien ist besser. Wir sollten mit Demut an die Sache rangehen“, sagte er.
Die Führungskräfte vertrauen auch auf den Jogi-Faktor. Löw gilt inzwischen als herausragender Turniercoach. Seit 2008 führte er das Nationalteam bei jeder EM oder WM mindestens ins Halbfinale. Kroos erlebt wie Neuer, Khedira oder Müller bereits die dritte WM mit Löw als Chef. „Er ist von der Ansprache und seinen inhaltlichen Sachen von einem sehr guten zu einem absoluten Top-Trainer gereift. Was unsere Spielanlage und unsere Spielidee betrifft, haben wir uns extrem weiterentwickelt, auch mit seiner Hilfe“, erklärte Kroos.
Löw versteht es insbesondere, ein internes Betriebsklima zu schaffen, das leistungsfördernd ist. „Wir haben einen guten Teamgeist, aber den letzten Spirit müssen wir noch entwickeln“, berichtete Hummels nach zwei gemeinsamen Wochen in Südtirol. Der Prozess ist im Gange. „Man kann es nicht künstlich steuern. Man muss es vorleben“, betonte Khedira, der das große Ganze besonders im Blick hat.
Der erfahrene Profi von Juventus Turin, der schon wie ein Trainer denkt und sich in Südtirol viel mit Löw austauschte, weiß, worauf es ankommt: „Man muss die Leidenschaft und die Mentalität vorleben, gewinnen zu wollen. Gerade die Spieler, die schon viel gewonnen haben und viele Jahre dabei sind, können das Feuer entfachen.“
Die mögliche Aufstellung gegen Saudi-Arabien:
Neuer - Kimmich, Süle, Hummels, Hector - Khedira, Kroos - Müller, Draxler, Reus - Werner dpa