Hoffnung auf Frieden in Kolumbien - durch WM-Erfolge

Bogotá (dpa) - Die Totenstille auf den verwaisten Straßen in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá wird nur vom ungezügelten Torjubel unterbrochen: Fußball beherrscht dieser Tage das Leben der Kolumbianer.

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Während der ersten beiden WM-Spiele der Nationalelf gegen Griechenland und die Elfenbeinküste stand in Kolumbien das Leben still. Die beiden Siege der „Cafeteros“ haben Appetit auf zumindest das Viertelfinale geweckt. Und die positive Stimmung könnte auch dazu beitragen, den jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit der marxistischen Farc-Guerilla endlich beizulegen.

Am Dienstag, wenn die Mannschaft von Trainer José Pekerman in Cuiaba zum letzten Gruppenspiel gegen Japan antritt, blickt das ganze Land wieder gebannt gen Brasilien. Die Erfolge geben den Kolumbianern Auftrieb. Fußball, Drogen und Gewalt waren früher eng miteinander verbunden, erzählt Luis Fernando Suárez. „Fußball war für Leute, die außerhalb des Gesetzes lebten, sehr attraktiv. Das hat das Leben für uns sehr schwierig gemacht.“ Der Kolumbianer spielte früher in der Drogenhauptstadt Medellín und arbeitet heute als Trainer. Aber die Zeiten hätten sich geändert, fügt er hinzu.

Mit dem kolumbianischen Fußball bringen heute weltweit viele Menschen immer noch dessen schwärzeste Stunde in Verbindung: Andrés Escobar hatte bei der WM 1994 in den USA gegen die Amerikaner ein Eigentor geschossen, sein Team verlor 1:2 und schied aus dem Turnier aus. Wenige Tage später wurde der Nationalspieler vor einer Bar in Medellín erschossen - von einem Bodyguard mächtiger Drogenbosse.

Suarez sieht einen Zusammenhang zwischen der heute stabileren Gesellschaft, dem neuen kolumbianische Fußball und dem Friedensprozess: „Ja, ich glaube, die Verbindung gibt es.“ Der Andenstaat sei immer ein optimistisches Land gewesen, auch in schwierigen Zeiten. „Die Resultate der Selección, die Art wie sie spielen, hat allen viel Optimismus gegeben. Das ist gut.“

Sogar die Farc drückt die Daumen: In einem Brief an Pekerman schrieben die Rebellen vor dem WM-Start: „Wir hoffen, dass neue Erfolge die Herzen jedes Landsmannes erfreuen.“ Auf einer Farc-Internetseite hieß es: „Wir gehen mit euch durch dick und dünn.“

Und auch vor Wahlen machte die WM nicht halt. Bei den Stichwahlen zum Präsidentenamt am Sonntag stimmten tausende Fans für Trainer Pekerman und machten damit die Wahlzettel ungültig, weil der Argentinier natürlich nicht auf der Kandidatenliste stand. Amtsinhaber Juan Manuel Santos, der mit 50,93 Prozent der Stimmen knapp wiedergewählt wurde, hatte die seit 2012 andauernden Friedensverhandlungen mit der Farc zu seinem wichtigsten Wahlkampfthema gemacht.

Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens sind die größte und älteste Guerilla-Gruppe des Landes. Bereits seit 50 Jahren bekämpft die linksgerichtete Bewegung die Staatsmacht. Nach Einschätzung von Kritikern ist der Kampf kaum noch politisch motiviert, sondern eng mit Mord, Entführungen und Drogenhandel verbunden. Gemeinsam mit anderen Rebellen kontrollierten sie einst große Teile des Landes. Doch seit 2002 drängte das Militär die Farc weitgehend in zumeist unzugängliche Dschungelgebiete zurück. Mehr als 200 000 Menschen wurden bei dem Konflikt bislang getötet.

Trotz Sicherheitsbeschränkungen der Behörden feierte ganz Kolumbien ausgelassen die Siege. Nach dem Schlusspfiff strömten euphorische Fans auf die Straßen, mit Fahnen, gelben Schals, Pfeifen und trötenden Vuvuzelas. Die Party habe die ganze Nacht gedauert, erzählt Catalina aus Bogotá: „Wir feiern, weil Kolumbien noch drin ist!“ Fußball ist überall, keine andere Sportart kann da mithalten. Die Seifenoper „La Seleccion“ verfolgt nun schon zur besten Sendezeit die zweite Staffel zu den Höhen und Tiefen einer goldenen Generation des kolumbianischen Fußballs: die aus den 90ern um René Higuita, Freddy Rincon und Carlos Valderrama.

Aber die Gewalt ist nie fern. Allein in Bogotá starben nach dem 3:0 gegen Griechenland neun Menschen, mindestens 300 wurden festgenommen wegen Prügeleien. Viele Städte wollen für die kommenden Spiele die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen. Innenminister Aurelio Iragorri forderte die Fans auf, „friedlich und mit Verstand“ zu feiern. Präsident Santos hatte den Kolumbianern übrigens zu Beginn seiner Amtszeit zwei Dinge versprochen: den historischen Frieden mit den Rebellen - und, dass Kolumbien es zum ersten Mal seit 16 Jahren zur WM-Endrunde schaffen werde.