Jordanische Fans: „Nachts sind wir alle deutsch“
Amman (dpa) - Nicht qualifiziert, aber trotzdem mit Begeisterung dabei: Jordanien jubelt bei der Fußball-Weltmeisterschaft für Jogis Elf.
Nach dem Ausscheiden ihrer eigenen Auswahl in der Qualifikation schließen die Fans in dem nahöstlichen Wüstenstaat die Reihen hinter ihrem „adoptierten“ Lieblingsteam. „Bei Tage sind wir Jordanier, aber nachts sind wir alle deutsch“, sagt Abu Turki al-Hussein und schwingt eine schwarz-rot-goldene Fahne vor seinem in ein Café verwandelten Zelt am Straßenrand.
Im ganzen Land haben Jordanier ihre Nationalflagge gegen die deutsche eingetauscht, deutsche Trikots füllen die Läden in Amman, und Philipp Lahm, Jérome Boateng und Co. sind schnell zu geläufigen Namen geworden. Jordaniens Deutschlandfans sind Teil einer jahrzehntealten tief verwurzelten Verehrung für die deutsche Kultur, einschließlich Fußball.
Die Bande zum deutschen Fußball wurden schon in den 60er Jahren geknüpft. Dem staatlichen Fernsehen wurde damals im Rahmen eines Kulturabkommens erlaubt, deutsche Spiele gratis zu übertragen. Die Sendungen schufen eine Generation von Jordaniern, die die deutschen Teams anfeuerten - Bindungen, die bis heute fortwirken.
„Zu einer Zeit, als das Fernsehen die nationalen Spiele nur sehr begrenzt abdeckte, kam deutscher Fußball schon in jeden Haushalt“, sagt Hussein Al Dassa, Kulturredakteur bei der Tageszeitung Al Rai. „Viele Jordanier kannten die Namen der deutschen Spieler besser als die der jordanischen.“
Als die Jahre vergingen und sich das Satelliten-TV ausbreitete wurden die sportlichen Bande zwischen Jordaniern und Deutschland noch enger. Denn jetzt konnten sich die Leute über ihre Lieblingsteams tagtäglich auf dem Laufenden halten. Im Internet-Zeitalter verfolgen manche Jordanier jedes einzelne Tor - eine Passion, die an Kinder und Enkel vererbt wird. „Bevor mein Sohn laufen konnte, war er schon ein Bayern-Fan“, sagt Majed Ahmed, ein Friseur in Amman, neben sich sein neunjähriger Sohn in eine deutsche Fahne gehüllt.
Natürlich erfuhr auch die eigene Mannschaft große Unterstützung: Als Jordanien in der Asien-Qualifikation um einen WM-Platz kämpfte, ergriff das Fußball-Fieber die ganze Bevölkerung. Das „schöne Spiel“ elektrisierte ein Volk, dass sich danach sehnte, die oft so schlechten Nachrichten aus dem Nahen Osten mal beiseitezulassen. Jordanien schaffte es in die Relegation gegen Uruguay, den Fünften der Südamerikagruppe. Doch gegen den zweifachen Weltmeister setzte es gleich im Hinspiel eine 0:5 Heimniederlage. Viele neugewonnene Fans sagten, es sei jetzt nur normal, ihre jordanischen Hemden gegen deutsche zu tauschen.
„Hätten Sie mich vor vier Jahren gefragt, wer bei der Weltmeisterschaft spielt, hätte ich wohl gesagt, dass es mir egal ist. Jetzt ist alles Deutschland“, sagt der Jordanier Yazen Majali, der seinen Mercedes mit deutschen Fahnen bedeckt hat.
Nachdem einst ein Kulturabkommen den deutschen Fußball nach Jordanien brachte, wurde dieser über die Jahre zu einem Mittel, die Bindungen zwischen Deutschen und Jordaniern zu verstärken. Viele Jordanier fühlten sich ermutigt, Deutsch zu lernen, an deutschen Universitäten zu studieren oder sogar in Deutschland Arbeit zu suchen. 2005 eröffnete schließlich die am Modell einer deutschen Fachhochschule orientierte Deutsche-Jordanische Universität nahe Amman. „Ich mag nie in Deutschland gewesen sein, aber Deutschland hat mich nie verlassen“, sagt Hussein.