WM im Goethe-Institut: Bierkrug-Hüte und Jägermeister

Porto Alegre (dpa) - Fußballjubel statt Hochkultur im Goethe-Institut: Wo sonst über Texte der deutschen Dichter und Denker debattiert wird, geht es um Abseits, Trikottausch und Freistoß.

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In der kleinen Caféteria des Goethe-Instituts im brasilianischen Porto Alegre drängen sich rund 100 Fußball-Fans auf Stühlen, Barhockern oder Sesseln. Die Luft ist schwitzig-warm. An der Theke gibt es Bier aus Plastikbechern und Laugenbrezeln. Auf der Leinwand läuft das WM-Spiel USA-Deutschland und selbst der Generalkonsul der deutschen Botschaft, Stefan Traumann, feiert mit. Die Farben schwarz-rot-gold dominieren. Egal ob Deutscher oder Brasilianer - alle halten zur DFB-Elf.

Auch Rolf Wolfenbüttel ist mit seinem Kumpel Eduardo ins Goethe-Institut gekommen. Beide haben sich Deutschland-Fahnen umgehängt und tragen weiße Trikots mit dem Adler auf der Brust. Bei Rolf steht Thomas Müller hinten drauf. Vor ihnen steht eine 1-Liter-Flasche Jägermeister. „Der Schnaps kommt aus dem Ort, der so heißt wie ich“, sagt der 19 Jahre alte Wolfenbüttel mit strahlendem Gesicht. Der Maschinenbau-Student ist Brasilianer mit deutscher Herkunft. Seine Großeltern stammen aus Hamburg. „Ich bin sehr stolz auf meine deutschen Wurzeln“, bekennt der dunkelhaarige Jugendliche, „und ich liebe den deutschen Fußball. Als Deutschland bei der WM 2010 im Halbfinale ausgeschieden ist, habe ich geweint.“

An diesem Tag gibt es für die deutsche Fangemeinde keinen Grund zur Trauer. „Deutschland vor, noch ein Tor!“ tönt es, beim Tor von Thomas Müller springen die Leute auf, wirbeln ihre mitgebrachten Fahnen um den Kopf und umarmen sich. Der Jägermeister kreist. Es geht zu wie in einer Kneipe in Castrop-Rauxel, Flensburg oder Rosenheim.

„Ich freue mich, ich hatte eigentlich ein 0:0 erwartet“, sagt Susanne Knoll. Die 27-Jährige aus der Michael-Ballack-Stadt Görlitz lebt seit zwei Jahren in Porto Alegre. Sie promoviert hier. Sie und ihre Freundin tragen schwarz-rot-goldene Hüte in der Form eines Bierkruges mit Schaum oben drauf. „Die habe ich extra bei einer Frau anfertigen lassen, die sonst Kostüme für den Karneval in Rio schneidert“, erklärt die junge Frau. Für sie ist klar, dass Deutschland Weltmeister werden muss. „Ich wohne mit einem Holländer zusammen. Wenn wir nicht den Titel holen, muss ich mir blöde Witze anhören.“

Marina Ludemann fand die Partie „teilweise ein bisschen langweilig“. Die Leiterin des Goethe-Instituts kann mit Fußball ohnehin nicht viel anfangen. Die WM findet sie aber gut: „Ich bin hier für den Kulturaustausch zuständig. Ich freue mich, wenn sich die Brasilianer für die deutsche Kultur begeistern können. Der Fußball trägt dazu bei.“

Seit einem Jahr ist Ludemann die neue Leiterin des Instituts, in dem übers Jahr rund 1600 Schüler die deutsche Sprache lernen. Porto Alegre, das übersetzt „fröhlicher Hafen“ heißt, hat eine enge Verbindung zu Deutschland. Laut Ludemann sind 30 Prozent der Einwohner deutscher Abstammung. Vor genau 190 Jahren kamen die ersten deutschen Einwanderer in die Region Rio Grande do Sul.

Während der WM und noch darüber hinaus gastiert die Fußball-Ausstellung „Das Spiel hört erst auf, wenn es zu Ende ist“ im Goethe-Institut. Der Fokus liegt auf Videokunst, Fotografie und Klangkunst und betrachtet den heutigen Fußball und seine gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhänge. Ludemann lebte schon zuvor einmal zehn Jahre lang in São Paulo. „Ich wollte unbedingt wieder zurück nach Brasilien“, sagt die 56-Jährige. Der Kulturdialog sei wegen der Offenheit der Brasilianer viel leichter als anderswo. Das zeige sich derzeit bei der Fußball-WM besonders gut.