Frankreichs Valbuena nimmt Nigeria und Titel ins Visier
Ribeirão Preto (dpa) - Der Kleinste wird zum größten Hoffnungsträger. Frankreich setzt vor dem Achtelfinale gegen Nigeria auf weitere Geniestreiche von „Le Petit“ Mathieu Valbuena.
Der mit einer Körpergröße von nur 1,66 Metern kleinste WM-Spieler der K.o.-Runde gilt als unverzichtbare Kreativkraft der wiedererstarkten Équipe Tricolore. Sein Fehlen bei der tristen Nullnummer im letzten Gruppenspiel gegen Ecuador werteten die französischen Medien als Indiz für die gewachsene Bedeutung des kleinen Dribblers: „Valbuena ist unentbehrlich!“
Sein „unkompliziertes und genaues“ Aufbauspiel seien im Maracanã heftig vermisst worden, schrieb die Sportzeitung „L'Équipe“ über den Spieler von Olympique Marseille. „La Provence“ befand, dass Frankreich „die Kreativität abhanden gekommen“ sei. Mehrere Medien bezeichneten ihn unisono als „echten Motor“ des Teams.
Solche Worte müssen Balsam für die Seele des Mannes aus Bruges bei Bordeaux sein. Wegen seiner Körpergröße wurde der Flügelflitzer lange Zeit unterschätzt und übersehen. Nach Lehrjahren bei Girondins Bordeaux wurde er vom Traditionsclub mit 20 ausgemustert. Für den sensiblen Sohn eines spanischen Gastarbeiters brach eine Welt zusammen. Er ging für eine Saison in die fünfte Liga zu den Amateuren von Langon FC, arbeitete als Verkäufer in einem Sportartikelladen. Bei Libourne-Saint-Seurin kickte er zwei Jahre in der dritten Liga, bis der frühere belgische Nationalspieler und Marseille-Coach Eric Gerets 2006 bei einem Pokalspiel seine Qualitäten erkannte.
Obwohl er von gegnerischen Fans oft ausgebuht und als Schwalbenkönig kritisierte wurde, führte Valbuena Olympique Marseille mit dem heutigen National-Trainer Didier Deschamps als Coach 2010 zum Double aus Liga und Ligapokal. 2011 und 2012 folgten im Ligapokal weitere Titel. In nunmehr acht Jahren in Marseille brachte es Valbuena auf 331 Spiele und 38 Treffer. In 36 Länderspielen erzielte er sechs Tore. Bei der WM 2010 kam er nur wenige Minuten und bei der Euro 2012 überhaupt nicht zum Einsatz.
„Mir wurde nie etwas geschenkt, ich musste mir immer alles hart erarbeiten“, sagte der 29-Jährige im WM-Quartier in Ribeirão Preto. Es scheint, als spiele Valbuena ohne den wegen Rückenschmerzen für die WM ausgefallenen Bayern-Star Franck Ribéry befreiter auf. Der Vielgelobte, der im Club eine schwache Saison hinter sich hat und sich den Vorwurf anhören musste, er habe sich für die WM geschont, zeigt sich bescheiden: „Ich glaube nicht, dass das Team ohne mich schwächer ist“, sagte er nach dem Ecuador-Spiel.
Der Mann, der mit „Les Bleus“ im Viertelfinale auf Deutschland treffen könnte, ist nicht nur daheim anerkannt. In Europa genießt Valbuena inzwischen einen so guten Ruf, dass Marseille ihn nach der WM wird ziehen lassen müssen. Interesse haben bereits unter anderem AC Florenz und FC Sevilla signalisiert.
„L'Équipe“ wies diese Woche darauf hin, dass Frankreich ohne einen Weltklasse-„Zehner“ wie Raymond Kopa, Michel Platini oder Zinedine Zidane nie ein WM-Halbfinale erreicht hat. So einer ist 2014 nicht dabei. Valbuena hat einen sicheren Pass, ist dribbel- und schussstark und sehr einfallsreich - aber kein echter Spielmacher.
Wenn die Vorhersagen einiger Beobachter wahr werden sollten und Valbuena in Brasilien „den Zidane macht“ und den zweiten WM-Titel nach 1998 für Frankreich holt, geraten die Stadtväter von Marseille mächtig unter Zugzwang. Dann werden sie wohl auch bei einem Weggang des Nationalspielers die Forderungen des Humoristen und Schauspielers Patrick Bosso nicht länger überhören können. Der tritt seit Jahren dafür ein, dass man „Dem Kleinen“ in der Stadt am Alten Hafen endlich eine (möglichst große) Statue errichtet.