Aussortiert als Momentaufnahme Wie sich mancher Weltmeister von 2014 zurück ins Team kämpfen will
Khedira, Gündogan und Özil auf die Bank zu setzen, war eine sportliche Entscheidung. Es fehlt die Leichtigkeit - und die kann wieder kommen.
Watutinki. Der erste Schritt, um ein Problem zu beheben ist es, das Problem zu erkennen. Das immerhin ist der deutschen Mannschaft schon mal gelungen. Wie es allerdings zu lösen ist, wissen nicht einmal ausgewiesene Kenner der Materie. Thomas Müller fasst es so zusammen: "Es gibt keine Übung, mit der man Leichtigkeit trainieren kann." Fehlende Leichtigkeit ist es nun aber, die einige vormals als unverzichtbar gehandelte Akteure daran hindert, das deutsche Spiel zu beleben. So unterschiedlich die Zutaten sind, mit denen Ilkay Gündogan, Mesut Özil und eben Müller eine Partie würzen können, unabdingbar für das Trio ist die Leichtigkeit des Seins.
Je verkrampfter die Suche danach verläuft, desto vehementer weigert sie sich zurückzukehren. Müller läuft und arbeitet wie auch während der vergangenen beiden Weltmeisterschaften. Wo er aber sonst scheinbar zufällig dort stand, wohin der Torwart den Ball abprallen ließ oder ihn eine verunglückte Flanke glücklich vor die Füße fiel, fehlt ihm nun das Gespür.
Özil wiederum setzen die Nachwehen der Erdogan-Affäre zu. Zudem verpasste behinderten ihn zuletzt Rücken- und Knieprobleme. So fehlte ihm gegen Mexiko neben der mentalen Frische auch die absolute Fitness. Weil er in diesem Zustand aber kein Gewinn für das Spiel der deutschen Mannschaft ist, verzichtete Bundestrainer Joachim Löw gegen Schweden auf ihn. Seinem Körper dürfte die Pause gut getan haben. Wie aber der Kopf darauf reagiert, ist fraglich.
Der Mittelfeldspieler weigert sich weiterhin beharrlich, den Medien Auskunft zu geben. Seitdem er sich mit Erdogan fotografieren ließ, wurde lediglich ein offizielles Statement des 29-Jährigen veröffentlicht. Er selbst geht wortlos an Journalisten vorbei, wird vom DFB auch nicht auf Pressekonferenzen präsentiert. Gündogan schließlich erhielt gegen Schweden unverhofft die Möglichkeit, in die Stammelf zu spielen - ließ sie aber verstreichen. Es war ein solider Auftritt, jedoch keiner, der ihn unverzichtbar erscheinen lässt. Auch ihm sind die Nachwirkungen der Erdogan-Affäre anzumerken.
Anders verhält es sich bei Sami Khedira, dessen Spiel von jeher eher von Energie denn von Leichtigkeit geprägt ist. Im ersten WM-Spiel aber lenkte er diese Energie in die falschen Bahnen. Statt zusammen mit Kroos das schwankende Spiel zu stabilisieren, wollte er gleichzeitig lenken und rudern. Er rannte mit dem Ball in Lücken, die sich zu schnell wieder schlossen. Logisches Resultat waren Löcher in der deutschen Defensive, die er nicht mehr stopfen konnte.
Löw allerdings ist bekannt dafür, seinen Spielern auch nach schwächeren Leistungen nicht mit sofortigem Vertrauensentzug zu bestrafen. Als solcher ist auch die Maßnahme nicht zu verstehen, Khedira und Özil auf die Bank zu setzen. Es war lediglich eine sportliche Entscheidung. Eine, die auch wieder rückgängig gemacht werden kann. "Die Reaktionen der beiden am Montag im Training war super. Nur weil sie jetzt eine Partie auf der Bank saßen, bedeutet das noch gar nichts. Das Turnier ist noch lang", so Co-Trainer Marcus Sorg.
Zuspruch erhält Özil auch von Marco Reus: "Er ist einer der besten Spieler der Welt. Ich bin davon überzeugt, dass wir ihn in diesem Turnier noch brauchen werden." Vielleicht schon gegen Südkorea. Vielleicht mit altbekannter Leichtigkeit. Manchmal nämlich kehrt die einfach zurück. Dann, wenn am wenigsten damit zu rechnen ist.