WM-Bomber Müller will mehr - Löw heiß auf K.o.-Spiele
Recife (dpa) - Klatschnass gratulierten sich Joachim Löw und Jürgen Klinsmann zum gemeinsamen Achtelfinaleinzug - in der Kurve feierten die deutschen Fans Thomas Müller.
Im Dauerregen von Recife hat der neue deutsche WM-Bomber die Fußball-Nationalmannschaft mit seinem vierten Turniertor in der 55. Minute zum 1:0 (0:0) gegen die USA und damit zum Gruppensieg geschossen. „Das Tor war wichtig, man hat das Gefühl, es fällt ihm alles leicht“, sagte Bundestrainer Löw über den Matchwinner, der in Brasilien aber noch viel mehr gewinnen will: „Wir haben einen riesigen Ehrgeiz, unser großes Ziel zu erreichen.“ Das will er schon im Achtelfinale am Montag gegen Algerien bestätigen.
Für 90 hartumkämpfte Minuten hatte die Freundschaft von Löw und Klinsmann geruht, dann waren sie wieder ein Herz und eine Seele. Nach dem Schlusspfiff eilte Klinsmann zur deutschen Bank und umarmte seinen früheren Weggefährten Löw herzlich. „Ich bin froh, dass es jetzt abgehakt ist“, sagte Klinsmann, der dem DFB-Team und Löw alles Gute wünschte: „Deutschland ist unter den vier, fünf Favoriten.“
Auch der ehemalige Bundestrainer konnte nach dem intensiven Kampf vor 41 876 Zuschauern in der Arena Pernambuco jubeln, denn die Amerikaner zogen als Gruppenzweiter ebenfalls in die Runde der letzten 16 ein. „Jetzt geht das Turnier erst richtig los“, frohlockte Klinsmann, der 1990 als Spieler mit Deutschland den letzten WM-Titel geholt hatte.
Für die DFB-Auswahl kommt es nun in Porto Alegre zum Duell mit Algerien, das die Gruppe H nach dem 1:1 gegen Russland als Zweiter abschloss. „Jetzt kommen die K.o.-Spiele - alles oder nichts“, sagte Löw kämpferisch. Klinsmanns US-Boys bekommen es mit Belgien zu tun.
„Wir haben das Spiel beherrscht. Bis auf die Endphase haben wir keine Chancen zugelassen. Was wir versäumt haben, ist, das entscheidende 2:0 zu machen“, meinte Löw, der die packenden 90 Minuten erst im klitschnassen Hemd und später im ebenfalls durchnässten Poloshirt am Spielfeldrand verfolgt hatte. Bangen musste er nur einmal in der Nachspielzeit, als Kapitän Philipp Lahm mit energischem Einsatz den Ausgleich der US-Boys verhinderte. „Gruppensieger wären wir auch so geworden, aber ich bin Abwehrspieler“, sagte Lahm zu der Rettungstat.
„Insgesamt haben wir über ein 90 Minuten ein sehr ordentliches Spiel gemacht. Wir haben zwar nur 1:0 gewonnen, aber auch das nehmen wir gerne mit“, sagte Matchwinner Müller, der sich in vorderster Linie immer wieder ins Getümmel warf und mit einem spektakulären Schlenzer von der Strafraumgrenze sein insgesamt neuntes Tor im neunten Spiel bei WM-Endrunden erzielte. „Es waren drei komplett unterschiedliche Gegner. Jedes Spiel hatte seinen eigenen Charakter. Daraus ziehen wir sehr viel Mut“, resümierte Abwehrspieler Per Mertesacker nach dem Ende der Gruppenphase.
Nach dem kräftezehrenden Schlagabtausch gegen Ghana mit etlichen Aussetzern in der Defensive kehrte zum Vorrundenabschluss die Sicherheit ins deutsche Spiel zurück. Beim 50. Pflichtspielsieg unter Löw war das vor allem ein Verdienst von Bastian Schweinsteiger, der für den zuletzt etwas matt wirkenden Sami Khedira zum Zuge kam und sofort wieder die Rolle des Chefs im Mittelfeld ausfüllte. „Solange die Kräfte reichten, war er kämpferisch sehr, sehr gut“, lobte Löw. Zusammen mit Lahm und Toni Kroos vertraute Löw damit erstmals im Turnier auf ein Bayern-Trio im zentralen Mittelfeld. „Wir waren dominant“, resümierte der Bundestrainer zufrieden.
Müller unterstrich als Torschütze und Dauerläufer einmal mehr seine überragende Bedeutung für das deutsche Spiel. Der Einsatz von WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose nach der Pause machte sich schon deshalb bezahlt, weil das deutsche Spiel nun flexibler wurde.
Nicht so belebend wirkte sich der Einsatz von Lukas Podolski aus, der erstmals seit dem 3:4 gegen die USA im Juni 2013 in Washington wieder in der Startelf stand. Nach 45 Minuten korrigierte der Bundestrainer und brachte Klose für den Ex-Kölner, der keine Bindung zum Spiel fand. Auch von Mesut Özil auf der rechten Seite kamen nur wenige Impulse.
Trotz der stundenlangen sintflutartigen Regenfälle, die den Verkehr in der Innenstadt von Recife praktisch zum Erliegen brachten, präsentierte sich der Rasen in erstaunlich guter Verfassung. Temperaturen um 27 Grad und extrem hohe Luftfeuchtigkeit sorgten zum Vorrundenfinale allerdings für ein Waschküchen-Klima.
Die Löw-Elf stellte sich schnell auf die schwierigen Bedingungen ein und kontrollierte die Begegnung gegen tief stehende Amerikaner. „Ich hätte die USA aktiver erwartet“, sagte Löw erstaunt. Nach gerade einmal 90 Sekunden misslang Müller nach Jerome Boatengs Flanke der Versuch einer Direktabnahme. Der Bayern-Angreifer kam auch in der 8. Minute nicht zum Abschluss, als er knapp an Podolskis Hereingabe vorbeirutschte. Wenig später behinderten sich Mertesacker und Benedikt Höwedes in bester Schussposition gegenseitig und vermasselten die bis dahin beste deutsche Gelegenheit.
Klinsmanns US-Boys zogen sich weit zurück und lauerten auf überfallartige Konter, die meist vom früheren Schalker Jermaine Jones inszeniert wurden. Nach 22 Minuten gab Graham Zusi den ersten Warnschuss auf das deutsche Tor ab, zog den Ball jedoch aus etwa 18 Metern Entfernung knapp über das Gehäuse von Manuel Neuer. Auf der Gegenseite fehlte den deutschen Angriffen im letzten Drittel die nötige Präzision und Entschlossenheit. In der 35. Minute vereitelte Howard die nächste gute Möglichkeit durch Özil.
Zehn Minuten nach Beginn der zweiten Spielhälfte brach Müller endlich den Bann. Der 24-Jährige traf im Nachsetzen mit einem präzisen 16-Meter-Schuss in die lange Ecke, nachdem US-Keeper Tim Howard zuvor einen Mertesacker-Kopfball glänzend pariert hatte. Nach dem Führungstor zog sich das deutsche Team etwas weiter zurück, doch Klinsmanns Amerikaner fanden kein probates Mittel, die deutsche Elf richtig unter Druck zu setzen. Erst in der Nachspielzeit wurde es noch einmal richtig brenzlig, doch Lahm war zur Stelle.