WM-Sieg: Löw ist am Ziel einer langen Reise

Und doch wird der Bundestrainer seine Karriere wohl auch nach acht Jahren fortsetzen.

WM-Sieg: Löw ist am Ziel einer langen Reise
Foto: dpa

Rio de Janeiro. Wer sich vor der WM mit der beruflichen Zukunft von Joachim Löw beschäftigt hat, kam auf zwei Szenarien. Das eine: der 54-Jährige gewinnt in Brasilien den Titel. Auf dem Gipfel seines Schaffens tritt er zurück. Das andere: Löw kehrt wieder ohne Titel zurück. Und tritt frustriert zurück. Nun hat der Bundestrainer die erste Route genommen, er wird Dienstag in Berlin den Triumph feiern. „Danach“, weiß er, „wird es einen emotionalen Abschwung geben.“

Die Trainer-Weltmeister: Sepp Herberger, ...

Die Trainer-Weltmeister: Sepp Herberger, ...

Foto: WilfriedWitters

Und dann? Wird Löw wohl bleiben, seinen Vertrag bis 2016, bis zur EM in Frankreich, erfüllen. Er müsse noch mal mit seinem Präsidenten reden, sagte Löw, Zweifel gebe es aber „wohl eher nicht“. Löw, so der Allgemeinwille beim DFB, soll 2016 in Frankreich mit Deutschland auch noch Europameister werden.

... Helmut Schön und ...

... Helmut Schön und ...

Foto: WilfriedWitters

Der DFB schätzt Kontinuität. Während andere Nationen heuern und feuern, können sich deutsche Teamchefs auf ihrem Posten einrichten. Mit seinen acht Jahren im Job ist Löw schon jetzt — nach Dänemarks Morten Olsen — momentan der am längsten amtierende Cheftrainer. „Ich sehe überhaupt keine Abnutzungserscheinungen“ sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Mit der Vertragsverlängerung hatte Niersbach Debatten über die Zukunft seines Chefcoaches vermeiden wollen. Das ist gelungen, wenn auch die WM nicht ohne Kritik am Bundestrainer blieb.

... Franz Beckenbauer.

... Franz Beckenbauer.

Foto: ValeriaWitters

Vor allem zu Beginn erntete der 54-Jährige Kopfschütteln. Weil er nur einen zentralen Stürmer nominiertem, den unbekannten Shkodran Mustafi erst nach Hause und dann auf den Platz beorderte, Philipp Lahm dazu im Mittelfeld platzierte. Da kehrten sie zurück die alten Geister aus dem EM-Halbfinale gegen Italien vor zwei Jahren. Die Kritik, die seinerzeit heftig auf ihn hereinprasselte, hat Löw schwer getroffen. Möglicherweise hat ihn die Erinnerung daran dazu bewegt, diesmal auf seinen Trainerstab zu hören, der ihm dringend den Rückbau von Mittelfeld und Viererkette empfohlen hatte.

Löw folgte, wenn auch etwas widerwillig. Am Ende hat er alles richtig gemacht. Und ist dabei aufgetreten wie von einer Regie geführt. Nie hat die Welt einen derart entspannten Schwarzwälder erlebt. Oft lief er strahlend wie ein beschwipster Maikäfer durchs Campo Bahia. Mit seiner Mannschaft arbeitet Löw am liebsten über Wochen.

Als Löw den Pressesaal des Estadio Maracanã betrat, sah er aus wie Löw immer aussieht. Die Schwarzhaarfrisur hatte weder unter dem Trubel auf dem Rasen noch unter den Umarmungen Angela Merkels gelitten. Keine Bierdusche, keine Schweißsträhnen, einfach nur gepflegter Löw. Den 54-Jährige empfing Applaus, wenn auch spärlicher. Deutsche Journalisten beklatschen keine Trainer, internationale schon. Ein österreichischer Medienvertreter sprach ihn auf seine Entlassung vor zehn Jahren bei Austria Wien an. Löw sagte, er habe den Rauswurf „als mein größtes Glück“ empfunden, andernfalls wäre er jetzt nicht hier. Und jetzt nicht Weltmeister.

So ging das mit Löw in den 55 Tagen seit Südtirol. Immer verbindlich, immer mit der Ruhe. Manchmal hat er sich mehr Zeit genommen, als es der Schwierigkeitsgrad der Frage erfordert hätte. Dann hat er an einer Wasserflasche herumgeschraubt. Oder die Kabel des Kopfhörers, aus dem der Dolmetscher erklang, gemächlich aufgewickelt.

Das bringt bedächtigen Menschen wie Löw Zeit, auch längere Gedanken zu formulieren. Also hat er Sonntagnacht, nachdem er die Kopfhörer abgesetzt hatte, ausführlich dargelegt, warum Deutschland gerade zum vierten Mal Weltmeister geworden war. „Weil die Mannschaft“ so der 54-Jährige, „große Leidenschaft und große Willenskraft besitzt, dazu unglaublichen Teamspirit entwickelt hat.“ 2004, sagt Löw, hat jenes Projekt begonnen, dass am Sonntag in Rio am Ziel war. „Wir haben ständig Fortschritte gemacht, aber nie den letzten Schritt geschafft.“

Am Sonntag schon.