Handball Die neue Welt in Gummersbach
Gummersbach · Nach 53 Jahren erste Liga ist der Handball-Traditionsverein VfL Gummersbach zweitklassig. Für wie lange?
In dieser Woche startet die Handball-Bundesliga in ihre 54. Saison, um Gummersbach aber macht sie dabei erstmals einen Bogen. Für die 50 000 Einwohner der Stadt im Oberbergischen beginnt am Samstag eine neue, eine andere Zeit. Sie müssen ohne die gewohnten Gäste vom THW Kiel, vom SC Magdeburg oder von Frischauf Göppingen auskommen. Stattdessen steuern die Busse vom TV Emsdetten, vom ThSV Eisenach oder von der HSG Konstanz die schmucke Arena an der Fröbelstraße an. Der VfL Gummersbach ist zweitklassig, zum ersten Mal seit 1966.
„Jeder, der Realist ist, wusste, dass dies passieren konnte. Wir sind finanziell schon länger nicht mehr auf Rosen gebettet. Um die Existenz des Vereins nicht zu gefährden, sind wir gezwungen zu sparen. Damit einher geht natürlich auch ein Qualitätsverlust im Kader. Dennoch hätte dieser nicht absteigen müssen“, erklärt Geschäftsführer Christoph Schindler.
Am Ende fehlte ein Tor beim 25:25 in Bietigheim oder es fiel eines zu viel beim 31:30 von Ludwigshafen über Minden. Einerlei – am Pfingstsonntag passierte, was sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet hatte.
„Der VfL ist nicht mehr
der VfL der 70er-Jahre“
Zu oft war der VfL dem Abstieg in letzter Sekunde entkommen. „In den vergangenen drei Jahren ist es immer knapp gewesen. Daher mag es ein Stück weit verdient sein und vergleichbar mit dem Hamburger SV im Fußball kann ich sogar die Häme einiger verstehen“, meinte Schindler im Gespräch mit unserer Zeitung.
Die Zweitklassigkeit ist die Chance, den Neustart-Knopf zu drücken. „Der Abstieg muss auch dem letzten die Augen geöffnet haben. Der VfL ist nicht mehr der VfL der 70er-Jahre. Wir müssen selbstkritisch und demütig sein, alle müssen sich den Spiegel vorhalten. Den Verein plagen massive wirtschaftliche Probleme“, sagt Schindler.
Die Menschen in Gummersbach scheinen verstanden zu haben. Dem ersten Training nach dem Abstieg wohnten rund 500 Kiebitze bei, der Dauerkartenverkauf wird Rekord-Niveau erreichen und auch die Zahl der Mitglieder in den Fan-Clubs nimmt zu. Darüber hinaus wollen sich viele Anhänger ehrenamtlich betätigen. Aufbruchstimmung – auch wenn Christoph Schindler die finanziellen Probleme die Planung der Saison erschwert haben.
Einige Zeit nämlich war selbst die Zweitliga-Lizenz in Gefahr. Ähnlich wie 2015 beim TV Großwallstadt, dem sportlichen Bruder der 70er- und 80er-Jahre, drohte kurzzeitig sogar die Drittklassigkeit. „Es war nicht leicht, einen Kader zusammenzustellen, der oben mitspielen kann“, sagt Schindler.
Das Auftaktprogramm
birgt Risiko und Chance zugleich
Von daher ruft der 36-Jährige den direkten Wiederaufstieg auch nicht als unverhandelbares Ziel aus. „Wir haben das Manko, dass die Mannschaft noch nicht richtig eingespielt ist. Das Zusammenwachsen als Team wird einige Zeit benötigen.“ In dieser Hinsicht allerdings ist der Spielplan kein Freund des VfL Gummersbach. Mit TuSEM Essen, dem VfL Lübeck-Schwartau, der DJK Rimpar und dem HSC Coburg warten gleich zu Beginn vier hohe Hürden.
Zwölf Meistertitel, fünf Pokalsiege, sechs Erfolge im Europapokal der Landesmeister sowie deren fünf im Europacup der Pokalsieger – für die Konkurrenz ist Gummersbachs beeindruckende Titelsammlung nicht mehr als Historie aus Handball-Geschichtsbüchern. „Ja, das ist ein gefährlicher Saison-Auftakt für uns. Er ist aber auch eine Chance. Ein guter Start bei diesem Programm kann Selbstvertrauen bringen und Euphorie entfachen“, so Schindler. Dem ersten Spiel am Samstag gegen den TuSEM misst er daher enorme Bedeutung bei. „Da ist sicher schon Druck auf dem Kessel. Aber den sind wir ja gewohnt.“ Nur dass er jetzt ein anderer ist als der in der Bundesliga.