Vor Handball-EM Hanning: „Ich verschwende keinen Gedanken an ein Scheitern“
Berlin (dpa) - Die deutsche Handball-Nationalmannschaft reist als Titelverteidiger zur EM vom 12. bis 28. Januar in Kroatien. Im dpa-Interview spricht DHB-Vizepräsident Bob Hanning über die Arbeit von Bundestrainer Christian Prokop, die Erwartungen an die Mannschaft und die sportlichen Ziele.
Wie bewerten Sie die ersten Monate der Amtszeit von Bundestrainer Christian Prokop?
Bob Hanning: Er ist die Arbeit genau mit der Akribie und Konsequenz angegangen, wie wir uns das im Präsidium erhofft haben. Er hat auf dem Bestehenden aufgebaut, aber auch schon eigene Akzente gesetzt. Die EM-Qualifikationsspiele haben gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Nach dem selbst verschuldeten WM-Aus gegen Katar ist wieder eine Verlässlichkeit da. Das sehe ich als ersten Schritt und Erfolg an.
Die EM ist die erste Standortbestimmung in der Ära Prokop. Welches Ziel hat der Verband ausgegeben?
Hanning: Der Anspruch einer deutschen Mannschaft muss es sein, jedes Spiel gewinnen zu können und zu wollen. Immer im Wissen, dass wir nicht jedes Spiel nur durch eine eigene gute Leistung gewinnen können, weil die Weltspitze zu breit ist.
Welche Lehren hat der DHB aus der verpatzten WM mit dem frühen Aus im Achtelfinale gezogen?
Hanning: Ganz wichtig: Es bedarf eines anderen Auftritts als bei der Weltmeisterschaft. Dort waren wir kein geschlossenes Team, das muss man selbstkritisch feststellen. Wir haben bei der EM 2016 unheimlich davon profitiert, dass alle mehr in den Topf eingezahlt haben, als sie sich rausgenommen haben. Das war bei der WM definitiv nicht der Fall. Dann sind wir nur Mittelmaß. Alle haben gedacht, das wird schon wieder gut. Aber dafür ist die deutsche Nationalmannschaft nicht gut genug.
Wer sind die Topfavoriten auf den EM-Titel?
Hanning: Für mich gibt es keinen Topfavoriten. Ich glaube, dass Vize-Weltmeister Norwegen in der Weltspitze angekommen ist und die Schweden nachrücken. Ich glaube ferner, dass auch wir dazugehören, und dann gibt es noch Dänemark, Spanien, Weltmeister Frankreich und Gastgeber Kroatien.
Wie schätzen Sie die Vorrundengegner ein?
Hanning: Wir treffen auf drei Nationen aus dem früheren Jugoslawien - und das in Kroatien. Das bedeutet dreimal Hexenkessel, aber daran können wir wachsen. Wir wollen natürlich jedes Gruppenspiel gewinnen.
Was muss passieren, um eine ähnlich erfolgreiche Endrunde zu spielen wie vor zwei Jahren?
Hanning: Alle müssen die maximale Fokussierung haben, das System des Trainers muss greifen und wir brauchen auch das nötige Quäntchen Glück. Wenn das alles zusammenkommt, können wir in den Spielen auf Augenhöhe agieren. Dann entscheidet das Detail des Tages.
Auf dem Weg zum angestrebten Olympia-Gold 2020 war die WM 2017 ein Rückschlag. Würde das Projekt ins Wanken geraten, wenn auch die EM schief gehen sollte?
Hanning: Das nicht, aber wir müssen jetzt unter Beweis stellen, dass wir aus den Fehlern gelernt haben. Ich verschwende keinen Gedanken an ein Scheitern. Wenn ich mich zehn Prozent nach hinten orientiere, fehlen mir zwanzig Prozent nach vorne.
Gibt es ein Minimalziel?
Hanning: Das überlasse ich immer den Spielern und Trainern. Wir arbeiten an einem Projekt für 2020, wo wir um Olympia-Gold spielen wollen. Dafür haben wir die Sportart so entwickelt und umgebaut, wie es im Spitzenbereich notwendig ist. Da gibt es nur noch ein paar kleine Stellschrauben, an denen wir noch drehen müssen, dann steht das Konzept.
Wie erleichtert sind Sie, dass die EM wieder im Free-TV übertragen wird, nachdem die Weltmeisterschaft nur im Internet zu sehen war?
Hanning: Von meiner Seite gibt es dafür keine Dankbarkeit. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit, dass die Ballsportart Nummer eins nach dem Fußball in ARD und ZDF läuft. So etwas wie bei der WM darf es nie wieder geben.
Hat der DHB eine Erfolgsprämie ausgelobt?
Hanning: Das haben wir gemacht und mit den Spielern auch besprochen. Beide Seiten sind zufrieden mit der Vereinbarung, die sowohl für die Titelverteidigung als auch eine Medaille gilt.
ZUR PERSON: Bob Hanning (49) war Ende der 1990er Jahre Co-Trainer der Nationalmannschaft, später als Coach beim Bundesligisten HSV Hamburg tätig. Seit 2005 ist der gelernte Kaufmann Geschäftsführer der Füchse Berlin. 2013 wurde Hanning ins DHB-Präsidium gewählt, wo er als Vizepräsident den Bereich Leistungssport verantwortet.