Training statt Schampus - THW Kiel verschiebt Feier
Kiel (dpa) - Trainer Alfred Gislason blickte mürrisch drein. Soeben hatte sein THW Kiel den Gewinn des 17. Meistertitels im deutschen Handball perfekt gemacht. „Wenn die Spieler feiern, möchte ich das besser nicht wissen“, grantelte der Isländer.
Missmutigen Blickes flüchtete er schnurstracks in die Katakomben, als sich ein Bierschwall über sein Haupt ergoss. „Morgen im Training werde ich schon sehen, wer wie gefeiert hat“, drohte Gislason. Um 10.00 Uhr ging die nächste Übungseinheit nach der Meisternacht wie geplant über die Bühne.
Der vorzeitige Titelgewinn nach dem 29. Sieg im 29. Bundesligaspiel passte dem Trainer nicht in den Kram. „Wir haben noch viel vor. Am Wochenende kommen die nächsten schweren Spiele“, entschuldigte sich der Party-Killer. Bei der Endrunde um den DHB-Pokal in Hamburg wollen die Kieler Titel Numero zwei.
Sollte das gelingen, will Gislason aber immer noch nicht feiern. Dann geht's erst richtig zur Sache: Champions-League-Finalrunde in Köln. Auch hier steht die Trophäe auf der Wunschliste. Als abschreckendes Beispiel dient Gislason der HSV Hamburg, der nach seinem erstmaligen Titelgewinn im vergangenen Jahr während der laufenden Saison für drei Tage nach Mallorca zur Party-Offensive düste und - wie viele meinten - damit das Scheitern in der Champions-League-Finalrunde einleitete.
„Wir können nicht mit Vollgas feiern. Bei uns ist es ja nicht wie beim Fußball, wo man eine ganze Woche Zeit hat bis zum nächsten Spiel“, meinte Linksaußen Dominik Klein. Wenigstens in der Halle herrschte nach dem 32:27-Sieg der Kieler über den SC Magdeburg Party-Laune. Konfetti-Kanonen feuerten ihre schwarz-weiße Salven in die Massen, die Spieler bespritzen sich mit Sekt und vergaßen auch nicht, ab und an einen Schluck aus der Pulle zu nehmen. „Die deutsche Meisterschaft haben wir uns verdient wie keine andere Mannschaft. Darauf können wir stolz sein. Wir haben das Sieger-Gen, das für unseren Erfolgshunger verantwortlich ist“, berichtete Klein.
Auch die Zuschauer hatten Verständnis für den gebremsten Rausch. „Meistertitel schön und gut. Aber das ist nur Beiwerk. Nur der Titel in der Champions League zählt“, meinte ein Zaungast. Trotz der Mehrfachbelastung können die Kieler mit ihren Kräften haushalten. Gislason lässt die Mannschaft zwischen erster und zweiter Halbzeit rotieren, schließlich stehen ihm zwei gleichwertige Rückraum-Reihen zur Verfügung. Auch das macht den Unterschied zur Konkurrenz aus.
Zudem herrscht leistungsfördernder Einklang in der Mannschaft. „Es ist beeindruckend, wie wir mit dem Druck umgehen. Ich bin stolz, dieses Trikot tragen zu dürfen“, meinte Rückraum-Kanonier Filip Jicha. Der 28-jährige Tscheche sieht im Teamgeist einen Grundstein für die Kieler Erfolge. „Bei uns ist alles so problemlos. Wir verstehen uns untereinander sehr gut, haben viel Spaß miteinander.“
So früh wie in dieser Saison war der THW noch nie Meister. Fünf Spiele vor dem Ende verneigt sich die gesamte Konkurrenz. „Diese Mannschaft ist der leistungsmäßig beste Meister meiner gesamten Amtszeit“, schwärmte Ulrich Strombach, Präsident des Deutschen Handballbunds (DHB). Der Durchmarsch soll am 2. Juni gekrönt werden. Dann wollen die Kieler noch immer ohne Verlustpunkt dastehen: 34 Spiele, 34 Siege. Gelungen ist das bisher noch keinem Team.