Ex-IAAF-Chef Diack unter Korruptionsverdacht
Paris (dpa) - Der Weltsport wird nun auch von einer Korruptionsaffäre im Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) überschattet. Dem früheren IAAF-Präsidenten Lamine Diack wird Bestechlichkeit und Geldwäsche vorgeworfen.
Wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Gerichtskreise berichtete, hat die französische Justiz Anklage gegen den 82-jährigen Senegalesen erhoben. Auch sein Rechtsanwalt Habib Cisse wurde angeklagt. Zudem ist der frühere Direktor der Anti-Doping-Abteilung der IAAF, Gabriel Dolle, in Polizeigewahrsam genommen worden.
Diack, der im August nach 16 Jahren als IAAF-Präsident abgetreten war, wird verdächtigt, für die Vertuschung von positiven Blutdoping-Fällen 200 000 Euro aus Russland erhalten zu haben. Möglicherweise handelt es sich unter anderen um den Fall der Marathonläuferin Lilija Schobukowa. Sie soll sich den Start bei den Olympischen Spielen 2012 in London mit 450 000 Dollar erkauft haben, um eine drohende Doping-Sperre zu vermeiden.
Schon damals gab es Mutmaßungen, dass die Manipulation bis in die IAAF gereicht haben soll. Wegen verdächtiger Werte im Blutpass wurde die Athletin später doch noch für mehr als zwei Jahre gesperrt.
Thematisiert wurde der Fall auch in der im Dezember 2014 ausgestrahlten ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping - wie Russland seine Sieger macht“ über flächendeckendes Doping in dem großen Sportland. Seitdem untersuchen eine unabhängige Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und die Ethik-Kommission der IAAF die Vorwürfe. Bisher sind noch keine Ergebnisse bekanntgeworden. Allerdings ist im Zuge dieser Anschuldigungen der russische Leichtathletik-Präsident Valentin Balachnitschew zurückgetreten. Er war zudem Schatzmeister der IAAF.
„Gott weiß, was da vor sich geht“, sagte Russlands Sportminister Witali Mutko der Nachrichtenagentur TASS. „Wir haben in unserem Verband Probleme gehabt. Das alte Management arbeitet inzwischen nicht mehr.“ Er verstehe, dass es momentan „viele kriminelle Fälle auf der Welt“ gebe - „auch solche ungeklärten Fälle“.
Die IAAF hat am Mittwoch bisher nur bestätigt, dass die Polizei ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und die Geschäftsstelle am Dienstag in Monte Carlo durchsucht habe. Es gehe dabei um Verstöße gegen die Anti-Doping-Regeln. „Die IAAF bestätigt, dass ausgehend von separaten Untersuchungen durch eine unabhängigen Kommission der WADA und der Ethik-Kommission der IAAF die französische Polizei Ermittlungen aufgenommen hat“, hieß es in einer Erklärung. Der Weltverband sicherte seine „volle Kooperation“ bei der Aufklärung zu.
Mit dem Fall Diack wird sich nun auch die Ethikkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) befassen. „Im Lichte der strafrechtlichen Ermittlungen gegen Herrn Lamine Diack, der ein IOC-Ehrenmitglied ist, habe ich entschieden, den Fall an die Ethikkommission des IOC weiterzuleiten“, erklärte Kommissionschefin Pâquerette Zappelli am Mittwoch in einem Statement. Das IOC trete für „einen sauberen Sport und eine gute Amtsführung“ ein, teilte ein IOC-Sprecher mit. Deshalb verfolge das IOC die Untersuchungen sehr genau und erwarte, „dass die vollständigen Fakten ans Licht kommen“.
„Ich finde es gut und richtig, dass staatliche Stellen Ermittlungen aufgenommen haben und den Sachverhalt aufklären“, sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). „Wenn ein Sumpf bestanden sein sollte, muss er trocken gelegt werden.“ Mit Bezug auf die Fußball-Affären der FIFA und des DFB meinte er: „Der Fußball stellt die Leichtathletik weiter in den Schatten.“
Für Diack-Nachfolger Sebastian Coe, der einen strikten Anti-Doping-Kurs eingeschlagen hat, gibt es nun viel zu tun und viel aufzuklären. „Die größte Herausforderung für ihn wird sein, die Glaubwürdigkeit der Leichtathletik wieder herzustellen“, meinte Prokop, der den bereits seit Jahren als Vizepräsidenten zum IAAF-Führungskreis gehörenden Briten für einen integeren Funktionär hält: „Ich habe keinen Anlass, daran Zweifel zu haben.“