Gabius: Silber-Coup auf den Spuren von Dieter Baumann

Helsinki (dpa) - Die schwarz-rot-goldene Fahne flatterte in den Händen von Arne Gabius. Der Tübinger rannte auf der Ehrenrunde Schlangenlinien vor lauter Freude. Es war vielleicht die Chance seines Läuferlebens - und der 31-Jährige nutzte sie bei der Europameisterschaften in Helsinki entschlossen:

Über 5000 Meter gewann der Spätstarter seine erste internationale Medaille: Silber nach 13:31,83 Minuten - und ein Signal für die deutschen Leichtathleten gleich in der ersten EM-Entscheidung. „Es waren alle da aus Europa“, sagte er. „Was will ich mehr? Es ist unglaublich. Eine Medaille ist immer etwas Besonderes.“ 18 Jahre nach dem Gold-Coup seines Lehrmeisters Dieter Baumann auf der gleichen Distanz und im gleichen Olympiastadion blickte Gabius überglücklich immer wieder in den wolkenverhangenen Himmel. Sein Bruder Jan warf ihm eine Deutschland-Flagge zu: „Der konnte vor Aufregung nicht schlafen“, berichtete Arne Gabius später strahlend.

Natürlich hatte der gebürtige Hamburger von einer Medaille geträumt: „Das Treppchen wäre Wahnsinn!“ Seine Bestzeit hatte er in diesem Jahr auf 13:13,43 Minuten gedrückt, damit war er auf dem Kontinent die Nummer 2 hinter dem neuen und alten Europameister Mo Farah. An den hängte sich der deutsche Meister von Anfang an dran. In der letzten Kurve rang er den gebürtigen Kenianer Polat Kemboi Arikan (Türkei) und den Franzosen Yohan Durand nieder. „30 Meter vor Schluss habe ich es gewusst.“

Ausgerechnet nach der Trennung von Coach Baumann läuft Gabius zu großer Form auf. Der Arzt und Vegetarier trainiert sich seit elf Monaten selbst. Er hatte sein Training radikal verändert. „Die Qualität hat sehr stark zugenommen, da braucht man viel mehr Regenerationszeit.“ Sein Erfolgsrezept: „Eigentlich ist Mittagschlaf das Zauberwort - zwei, drei Stunden schlafen, bevor man die zweite Einheit macht.“ Gleichzeitig lobt er auch immer das Fundament, das Olympiasieger Baumann über sechs Jahre lang mit ihm gelegt habe.

Weltmeister Mohamed „Mo“ rannte erwartungsgemäß nicht nur Gabius davon: Der für Großbritannien startende Somalier überquerte die Ziellinie nach 13:29,91 Minuten. Bei den Olympischen Spielen in London wird der 29-Jährige nun von den so starken Kenianern und Äthiopiern gejagt.

Bei Olympia weht auch für Gabius ein anderer Wind: In der Welt ist er derzeit hinter zig Afrikanern nur die Nummer 36. Aber EM-Silber kann ihm keiner mehr nehmen. Gabius hatte recht behalten: „Mit 30 fängt das Läuferleben doch erst an“, sagte der Ausdauerspezialist, der sogar von einem Rapper („Ich bin hochbe-Gabius“) besungen wird, kürzlich. „Vielleicht stehe ich am 11. August ja schon wieder in einem Finale.“ Qualifiziert ist er jedenfalls für London.