Show ohne Superstar Bolt: Auch Europa kann sprinten

Helsinki (dpa) - Fünf Tage Leichtathletik ohne Superstar Usain Bolt: So schnell kommen Europas Sprinter nicht wieder auf die große Bühne. Bei den kontinentalen Titelkämpfen in Helsinki stehen die Asse endlich einmal nicht im Schatten der übermächtigen Konkurrenz aus Jamaika und Amerika.

Fünf Wochen vor den Olympischen Spielen in London wollen sie Bolt & Co beweisen: Auch Europa kann sprinten! EM und Olympia - EM oder Olympia? Die Rekordbeteiligung in Helsinki sagt alles. „Hier zu starten, ist eine Frage des Respekts für mich“, versicherte die bulgarische Sprinterin Iwet Lalowa in Helsinki. „Wir wollen der Welt beweisen, dass die europäische Leichtathletik auf einem hohen Niveau ist und dass wir Weltklasse-Sprinter haben“, betonte die Hallen-Europameisterin von 2005 über 200 Meter.

Allen voran stürmt Christophe Lemaitre. Der schlaksige Franzose will seine Titel über 100 Meter und mit der 4 x 100-Meter-Staffel verteidigen. Vor zwei Jahren in Barcelona war Monsieur Lemaitre der Sprint-König - und mit dreimal Gold der Star der EM. Auf die 200 Meter verzichtet er bei dieser EM allerdings, um sich fünf Wochen vor Olympia nicht zu verzetteln.

Keiner seiner europäischen Konkurrenten ist im Olympia-Jahr schneller als der 22 Jahre alte Franzose gerannt - mit 10,04 Sekunden steht Lemaitre indes nur auf Platz 23 der Jahresweltbestenliste. Aber Achtung: Mit seiner Bestzeit von 9,92 Sekunden ist er der schnellste weiße 100-Meter-Sprinter der Leichtathletik-Geschichte. „Für alle weißen Sprinter ist das ein Signal. Es geht auch so - man muss nicht aus den USA oder Jamaika kommen“, meinte der neue deutsche 100-Meter-Meister Lucas Jakubczyk am Dienstag.

Der 27-Jährige vom SCC Berlin ist ein Beispiel dafür, dass die deutsche Sprintszene in Bewegung ist. Neue Namen wecken neue Hoffnungen. Jakubczyk ist von Hause aus Weitspringer. Und kein schlechter: Mit links schaffte er schon 7,88 Meter, mit seinem „schwachen“ rechten Fuß 7,85 Meter. Mit seiner Bestzeit von 10,20 Sekunden steht der 100-Meter-Mann indes nur an Position 82 der Welt, in Europa ist er in diesem Jahr die Nummer 12.

„Es ist ein großes Ding, bei der EM dabei zu sein. Ich will auf alle Fälle das Halbfinale erreichen“, sagte Jakubczyk. Auch Bundestrainer Ronald Stein rechnet damit, dass die Sprinter international bald wieder einen Gang hochschalten können. „In den Staffeln hatten wir ja in den letzten Jahren immer so kleine Lichtblicke“, erklärte Stein, „aber in den Einzeln waren wir froh, wenn überhaupt jemand mal die Norm erreicht hat.“

Biomechaniker des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), verriet Stein, analysieren die Sprints von Weltrekordler Usain Bolt und Weltmeister Yohan Blake. „Das ist ein ganz anderes Laufbild. Sie haben ganz andere Schnellkraft-Fähigkeiten“, erklärt der Bundestrainer die Vorzüge der Jamaikaner.

„In die Weltspitze zu kommen, ist sicherlich schwierig, doch Lemaitre hat gezeigt, dass es möglich ist“, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop. Auch Verena Sailer hat es bei der EM 2010 bewiesen, als sie sich in Barcelona überraschend zur Sprint-Königin krönte. Mit 11,19 Sekunden hat die 26-Jährige aus Mannheim inzwischen die Olympia-Norm ebenso erfüllt wie sieben Jahre jüngere Tatjana Pinto aus Münster. Doch die EM fängt ja erst an.