DLV-Präsident Prokop: „Wir sind ganz optimistisch“

Helsinki (dpa) - Clemens Prokop ist seit 2001 Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Er reist mit einer der größten Mannschaften die Deutschland je gestellt hat zu den Europameisterschaften nach Helsinki.

Bei der am Mittwoch beginnenden EM will der DLV eine gute Olympia-Generalprobe absolvieren. „Die Olympischen Spiele werden das zentrale Ereignis sein“, sagte der Jurist aus Regensburg.

Sind die Europameisterschaften in Helsinki nur eine Durchgangsstation zu den Olympischen Spielen?

Clemens Prokop: „Ich würde nicht sagen, dass es eine Durchgangsstation ist. Vielmehr glaube ich, das wir bei der EM attraktive Wettkämpfe sehen werden und einen ersten Fingerzeig auf die möglichen Ergebnissen in London erhalten. In den USA finden im Übrigen die Trials auch zu einem gleichen Zeitpunkt statt.“

Nimmt man bei der EM, was man bekommt, oder strebt der DLV zielstrebig Erfolge in Helsinki an?

Prokop: „Natürlich wollen wir so erfolgreich bei der EM sein, wie irgendwie möglich - doch vor dem Hintergrund, dass die Olympischen Spiele das zentrale Ereignis sind.“

Wäre es eine Hypothek, wenn ein Athleten wie Diskus-Weltmeister Robert Harting nur Dritter bei der EM wird?

Prokop: „Bezogen auf Robert Harting glaube ich das nicht. Zumal ich mir nicht vorstellen kann, dass er bei seinem Leistungsstand Dritter werden würde. Außerdem wäre es wohl für jeden Athleten eher ein Ansporn, es bei Olympia besser zu machen.“

Die Olympischen Spiele 2004 und 2008 mit zwei beziehungsweise nur einer Medaille waren für den DLV Debakel. Reist die Angst, erneut zu scheitern, nun im Gepäck nach London mit?

Prokop: „Wir sind ganz optimistisch. In der Tat hatten wir bei den Olympischen Spiele in Athen und Peking absolute Negativergebnisse. Man muss aber sehen, dass 2004 und 2008 die Zahl der potenziellen Medaillenkandidaten deutlich geringer war. Olympische Spiele stehen immer unter besonderen Vorzeichen und da weiß man nicht, ob jeder Anwärter eine Medaille holt. Doch diesmal sind wir breit mit Medaillenkandidaten aufgestellt, so dass wir sicherlich das Ergebnis der letzten beiden Olympischen Spiele übertreffen werden.“

In Athen gab es Bronze und Silber, in Peking nur Bronze! Zusammengenommen: drei Medaillen! Ist das der Maßstab?

Prokop: „Die WM 2011 in Daegu hat einen Ausblick gegeben. Dort hatten sich die Medaillenkandidaten für London versammelt. Wenn man das Ergebnis von Daegu zugrunde legt...“

...sieben Medaillen, davon drei aus Gold...

Prokop: „... und wir bei der WM nicht mit der theoretisch stärksten Mannschaft am Start waren und ich die aktuellen Ergebnisse der Saison sehe, glaube ich: Wir habe die Chance, in London so erfolgreich abzuschneiden, wie bei vielen Olympischen Spielen nicht mehr.“

In Peking 2008 gab es eine Riesenpleite, doch seitdem geht es mit der deutschen Leichtathletik bergauf!

Prokop: „Seit der WM 2009 haben wir gezeigt, dass wir uns im Leistungsbereich kontinuierlich nach oben bewegen. Wir haben eine neue Generation von Athleten. In London werden wir mit der jüngsten deutschen Leichtathletik-Mannschaft an den Start gehen, die jemals bei Olympischen Spielen angetreten ist. Wir haben deshalb eine große Perspektive für die Zukunft.“

Und sogar wieder gute Aussichten Erfolge im Lauf zu feiern. Was ist geschehen in dem Bereich, der schon tot gesagt worden war?

Prokop: „Wir haben den Trend umgekehrt. Es sind jungen Athleten, die zum Teil nur Fachleuten bekannt waren, die nach vorne drängen. Der Bund hat die Mittel zur Leistungsförderung im Vergleich zu 2008 deutlich erhöht. Davon profitieren auch die Läufer.“

Diskus-Weltmeister Robert Harting warf zuletzt nach einer ernsthaften Verletzung zweimal über 70 Meter. Was sagen Sie dazu?

Prokop: „Er hat eine phänomenale Leistung gezeigt. Robert Harting betreibt seinen Sport absolut professionell, er vermarktet sich geschickt und gehört zu den populärsten Leichtathleten Deutschlands.“

Wenn ein Diskuswerfer aus anderen Ländern über 70 Meter werfen würde, wäre das auch Anlass zu Doping-Mutmaßungen.

Prokop: „Harting ist in unserer Doping-Kontrollsystem fest eingebunden. Er ist von seinen körperlichen Fähigkeiten ein Ausnahmetalent. Für seine Glaubwürdigkeit spricht, dass er sich nicht von Null auf 100 gesteigert hat, sondern sich kontinuierlich entwickelt hat. Es handelt sich um die schrittweise Entwicklung eines Jahrhunderttalents.“

Woher kommen plötzlich die ganzen jungen Talente wie die Weltmeister David Storl (Kugelstoßen) oder Matthias de Zordo (Speerwurf)? In Peking war von ihnen noch nichts zu sehen!

Prokop: „Die vielen neuen Gesichter haben sich in den Nachwuchsmannschaften schon gezeigt. Der Verband hat in seiner Leistungsförderung systematisch viel verändert. Dabei steht die individuelle Förderung im Blickpunkt. Das zahlt sich jetzt aus.“

Olympische Spiele in Deutschland? Ist es richtig gewesen, nach einer Bewerbung von München schon aufzugeben?

Prokop: „Ich bedauere beides. Es besteht eine gewisse Hängepartie mit München. Ich finde, dass München unter schwierigen Bedingungen eine gute Präsentation gemacht hat und verdient hätte, es noch einmal zu versuchen. Als Präsident einer Sommersportart verhehle ich aber nicht, dass mein Herz an Sommerspielen hängt. Nach 1972 in München muss Deutschland sich als Sportnation und offene Kulturnation der Welt wieder präsentieren. Deshalb plädiere ich dafür, dass Deutschland sich wieder dafür bewirbt. Deutschland sollte sich ins Gespräch bringen und am Ball bleiben.“