„Fingerzeig für London“: Leichtathleten proben Olympia

Helsinki (dpa) - Mit einem Riesenaufgebot sind die deutschen Leichtathleten am Montag nach Helsinki aufgebrochen: Die 21. Europameisterschaften im kühlen und verregneten Finnland gelten aber nur als Härtetest für den heißen Tanz, den Robert Harting, Betty Heidler und Co. fünf Wochen später erwartet.

„Wir habe die Chance, in London so erfolgreich abzuschneiden, wie bei vielen Olympischen Spielen nicht mehr. Bei der EM werden wir einen ersten Fingerzeig auf die möglichen Ergebnisse in London erhalten“, sagte Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), vor dem EM-Startschuss in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.

Vor zwei Jahren in Barcelona gab es 16 Medaillen, darunter viermal Gold, für den DLV. Jetzt proben gleich 91 Athleten den Ernstfall für die Sommerspiele, qualifiziert haben sich davon allerdings erst 59. Nach den Pleiten 2004 in Athen (einmal Silber/einmal Bronze) und 2008 in Peking (einmal Bronze) stehen die Leichtathleten in der Bringschuld. Die bisherigen Saisonleistungen stimmen die Verantwortlichen in der olympischen Kernsportart jedoch optimistisch. Und mit einem Altersdurchschnitt von nur 25 Jahren hat das Team eine große Zukunft. „Wir haben eine neue Generation von Athleten. In London werden wir mit der jüngsten deutschen Leichtathletik-Mannschaft an den Start gehen, die jemals bei Olympischen Spielen angetreten ist“, sagte Prokop.

Diskus-Weltmeister Robert Harting (70,66 Meter), seine Disziplinkollegin Nadine Müller (68,89) und Stabhochspringer Malte Mohr (5,91) führen die Weltbestenliste in ihren Disziplinen sogar an. Zehn DLV-Athleten liegen in Europa an der Spitze, darunter Kugelstoß-Weltmeister David Storl, Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler, Zehnkämpfer Pascal Behrenbruch und die Olympia-Dritte im Speerwurf, Christina Obergföll. Medaillenkandidatin Carolin Nytra sagte hingegen am Montag ab muskulärer Probleme im Oberschenkel. Wie ihr Trainer Rüdiger Harksen mitteilte, ist dies eine Vorsichtsmaßnahme der Hallen-Europameisterin im Hürdensprint, um die Olympia-Teilmnahme nicht zu gefährden.

Für die deutschen Asse sind die Wettkämpfe allerdings nur eine Durchgangsstation. „EM ist halt EM. Und Olympia ist halt das, auf was man sich vorbereitet“, erklärte Obergföll. „Helsinki ist für mich so was wie ein Meeting - wenn ich da 'ne Medaille gewinne, fragt mich hinterher kein Mensch mehr.“ Was ihre Leistungen in Helsinki wert sind, können Europas Spitzenathleten auch mit Blick nach Eugene bewerten: Dort tragen die US-Stars diese Woche ihre Olympia-Ausscheidungen aus.

Bis auf die 800 Meter der Frauen und die 10 000 Meter der Männer nach der Absage von André (Achillessehnenbeschwerden) hat der DLV alle Disziplinen besetzt, 17 davon sogar mit jeweils drei Sportlern.

Lernen für London heißt es vor allem für die vielen jungen Aktiven. So umstritten die neu eingeführten kontinentalen Titelkämpfe im Olympia-Jahr unter Experten sind, so chancenreich sind sie vor allem für Athleten in jenen Disziplinen, die ansonsten von den Afrikanern, Amerikanern oder Jamaikanern dominiert werden. „Für eine Läuferin ist eine EM immer sehr, sehr wichtig. Ich möchte mutig laufen, aber nicht übermütig“, sagte Mannschafts-„Küken“ und 3000-Meter-Hindernis-Spezialistin Gesa Felicitas Krause. Die 19-jährige Frankfurterin war bei ihrem WM-Debüt 2011 in Daegu überraschend Neunte geworden.

Für Arne Gabius ist es über 5000 Meter sogar die Chance seines Lebens, einmal internationales Edelmetall zu holen. „Das Treppchen wäre Wahnsinn! Aber eine Medaille kriegt man nicht geschenkt, die Konkurrenz ist sehr stark“, sagte er. Der Tübinger steht am Mittwoch im ersten Finale von 42 EM-Entscheidungen. Marathon und Gehen fehlen bei der auf fünf Tage verkürzten Meisterschaft.