Gabius zum Doping: Fußball „wird mit reingezogen werden“

Stuttgart (dpa) - Bei einem Wettkampf in Paderborn rannte Deutschlands bester Marathonläufer kürzlich durch ein Wohngebiet, wo ein Mann am Zaun ihm hinterherrief: „Die Dopingprobe will ich erst mal abwarten.“

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Arne Gabius kann ihm das Misstrauen nicht mal verübeln angesichts der Skandale in der Leichtathletik. Was den 35-Jährigen viel mehr ärgert: Wie der Anti-Doping-Kampf - gerade auch in Deutschland - geführt wird. „Irgendwie habe ich manchmal das Gefühl, dass da nur Stümper am Werk sind.“ Und Gabius prophezeit, dass der Fußball noch groß in die Schlagzeilen geraten wird.

„Leistung“, erklärte der Langstreckenläufer der Deutschen Presse-Agentur vor seinem Start beim London-Marathon am 24. April, „wird nicht mehr so richtig wahrgenommen. Viele sagen: Gute Leistung kann man nur mit Doping zeigen. Das stimmt ja nicht, weil das Talent ganz wichtig ist. Und dann natürlich der Fleiß - über Jahre. Das ist das Problem: Dass die Leute die Arbeit dahinter nicht mehr würdigen“, sagte Gabius, der in einer Trainingswoche weit über 200 Kilometer abspult.

Die Leichtathletik hatte schon immer ein Dopingproblem. Der internationale Ausschluss für die Russen, die Debatten um die Glaubwürdigkeit der kenianischen Ausdauer-Asse und auch die Korruptionsfälle im Weltverband IAAF haben die olympische Kernsportart nun in seine tiefste Krise gestürzt.

Dass die Deutschen dabei mit dem Finger gerne auf andere zeigen, ärgert Gabius. Bei der WM 2015 in Peking seien deswegen viele Teilnehmer aus anderen Ländern nur noch sauer gewesen auf die Vertreter des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). „Dass die Deutschen sagen: Alle sind voll, nur wir nicht, wir sind die saubersten Athleten überhaupt, dass man sich auf ein Podest stellt - das geht gar nicht. Wir sollten erstmal unsere Hausaufgaben machen.“

Gabius hatte in diesem Jahr nach eigenen Angaben fünf Kontrollen, allerdings ist er auch in einem Pool von Läufern der World Marathon Major-Serie, wo die Veranstalter zusätzlich auf verbotene Mittel testen lassen. „Die NADA ist nicht unabhängig. Im Vorstand und im Aufsichtsrat, da sitzen Vertreter von Politik und Wirtschaft“, kritisierte der Wahl-Stuttgarter, der für das LT Haspa Marathon Hamburg startet und im vergangenen Oktober in Frankfurt/Main den deutschen Marathon-Rekord nach 27 Jahren auf 2:08:33 Stunden verbesserte.

Und die Nationale Anti-Doping-Agentur sei auch finanziell nicht unabhängig. „Ein ganz großes Problem. Ich hatte in den letzten sechs Jahren im November und Dezember keine Doping-Kontrollen, weil schlichtweg das Geld ausging.“

Kürzlich hatte Gabius genau einen Tag vor dem Halbmarathon in Berlin eine Out of competition-Kontrolle der IAAF, also eine Trainingskontrolle, die eigentlich in der Saisonvorbereitung stattfinden soll. Sein Kommentar: „So kann man auch Statistiken fälschen.“ Grundsätzlich könne man es im Anti-Doping-Kampf „viel, viel besser machen“. Warum, fragte der Mediziner, könnten nur Fernsehteams jemand in die Szene einschleusen und Praktiken aufdecken? „Einfach mal vernünftig ermitteln! Aber da fehlt das Geld.“ Immerhin würden jetzt mit dem Anti-Doping-Gesetz die Staatsanwaltschaften eingreifen.

Gabius ist für einen Olympia-Ausschluss der russischen Leichtathleten, aber gegen eine ähnliche Sanktion im Fall der Kenianer. Obwohl er als Marathonläufer davon profitieren würde, wenn die Topläufer aus Ostafrika in Rio de Janeiro fehlen.

Russland, das sei Staatsdoping, sagte der Vize-Europameister über 5000 Meter von 2012, Kenia nicht. Dort müsse man die Strukturen im Anti-Doping-Kampf stärken und die Athleten besser aufklären. In der Weltbestenliste liegen derzeit etwa 50 Kenianer vor ihm. „Ich habe die Überzeugung, dass vielleicht ein, zwei dabei sind, die vielleicht gedopt haben“, sagte Gabius, der schon oft in Kenia trainiert hat.

Der beste deutsche Marathonläufer prophezeit dem Sport ein „heißes Jahr“ - in Sachen Doping. Und er ist sich sicher, dass dies nicht nur die Leichtathlet betrifft. „Ich glaube, dass es auch auf den Fußball überschwappt“, sagte er und verwies auf die jüngsten ARD-Dokumentation über einen Arzt in England. Dieser hatte angegeben, auch Spieler von Premier-League-Clubs gedopt zu haben, was die Vereine von sich wiesen. „Der Fußball hat sich da bisher schön rausgehalten, aber er wird mit reingezogen werden. Wenn die FIFA mal irgendwann zur Ruhe kommt mit den ganzen Korruptionsgeschichten, dann wird das Thema Doping auch ganz groß auf der Liste stehen.“