Kugelstoßerin Schwanitz gewinnt ersten großen Titel

Göteborg (dpa) - Auf diesen Moment hat Christina Schwanitz jahrelang warten müssen. Mit der deutschen Fahne über den Schultern und Tränen im Gesicht drehte die Kugelstoßerin vom LV Erzgebirge ihre Ehrenrunde durch das Scandinavium von Göteborg.

Bei der Hallen-EM der Leichtathleten hatte sie gerade im Alter von 27 Jahren ihren ersten internationalen Titel geholt. „Wer möchte nicht Erster sein? Wofür trainieren wir denn jeden Tag? Das ist ein superschönes Gefühl“, sagte Schwanitz, für die der Überschwang ihrer Gefühle beinahe noch gefährlich geworden wäre: „Ich bin bei der Ehrenrunde in die falsche Richtung gelaufen. Vor lauter Tränen wäre ich fast über einen Startblock gestolpert.“

Es war nicht nur die Goldmedaille, die die Sportsoldatin so mitnahm. Es war auch die Dramatik eines außergewöhnlichen Wettkampfs. Erst mit dem letzten Versuch auf 19,25 Meter zog Schwanitz noch an der lange Zeit führenden Jewgenia Kolodko aus Russland (19,04) sowie der Weißrussin Alena Kopez (18,85) vorbei. Kopez stieß gleich danach noch einmal weiter als die deutsche Meisterin, doch ihr Versuch war ungültig. Schwanitz riss die Arme hoch und stand dabei genau vor dem Block mit den deutschen Athleten, die zuvor noch keine einzige Medaille bei dieser EM gewonnen hatten.

„Spannung muss sein“, meinte die neue Europameisterin hinterher mit einem Augenzwinkern. Doch tatsächlich hatte sie bis zu diesem letzten Versuch frustriert und unzufrieden gewirkt. Alles andere als der Sieg wäre für sie eine Woche nach ihrer Weltjahresbestleistung bei den deutschen Meisterschaften (19,79) eine Enttäuschung gewesen. „Ich musste das noch ein bisschen üben mit den Nerven“, gestand Schwanitz nach dem Wettkampf. „Ich habe lange Zeit zu viel überlegt. Der Körper wird langsamer, wenn man zu viel mitdenkt.“

Für die 27-Jährige war es ein langer Weg bis auf die Spitze eines Siegerpodests. Fast immer stand sie dabei im Schatten der deutlich erfolgreicheren Nadine Kleinert. Und als sie vor zwei Jahren bei der Hallen-EM in Paris schon einmal Silber gewann, wusste sie nicht, dass die härteste Phase ihrer Karriere damit noch nicht vorbei war.

Jahrelang plagte sich Schwanitz mit Problemen an den Großgrundzehengelenken herum. Erst im November wurden ihr aus beiden Füßen je fünf Schrauben entfernt. Endlich wieder schmerzfrei und bei den Olympischen Spielen in London dabei gewesen zu sein, waren so etwas wie Erweckungserlebnisse für sie. „Seitdem ist Kugelstoßen kein Muss mehr für mich, sondern macht mir einfach Spaß“, sagte sie.

Schwanitz selbst belohnt sich nun ab Montag mit einem Ägypten- Urlaub für ihren Erfolg. Und für mindestens zwei andere deutsche Athleten hatte dieser Sieg dazu noch eine motivierende Wirkung. Nur wenige Minuten danach gewann Corinna Harrer überraschend die Silbermedaille über 3000 Meter (9:00,50 Minuten). „Ich bin total überwältigt. Jetzt können auch die deutschen Läufer endlich einmal feiern“, sagte die 22-Jährige.

Auch Josephine Terlecki steigerte sich im Kugelstoßen auf eine Saisonbestleistung von 18,16 Metern - das bedeutete Platz sechs. Das offizielle TV-Programm dieser EM wollte Terlecki in den Katakomben der Halle interviewen. Doch die Magdeburgerin sagte nur: „Nein, nein - ich bin nicht Christina.“