Russland jubelt die WM-Zweifel einfach weg

Moskau (dpa) - Erster Platz in der Nationenwertung und endlich Stimmung im Luschniki-Stadion: Zum Abschluss der Leichtathletik-WM in Moskau hat Russland die weltweiten Zweifel an dem Turnier einfach weggejubelt.

„Das Wichtigste ist, dass wir die psychologische Hürde genommen und die USA geschlagen haben“, gab Sportminister Witali Mutko den Ton vor. Die Medien zogen gerne nach: „Die Bändigung der Staaten“, schrieb die Zeitung „Kommersant“. Der Erfolg über die Sportgroßmacht USA - den alten Erzfeind - stellt, so hat es den Anschein, die schlechten Nachrichten der ersten Tage in den Schatten.

Immer lauter war die Kritik an der Moskauer WM während der Wettbewerbe geworden. Zunächst klagten die Athleten über das geringe Zuschauerinteresse und die damit verbundene schlechte Stimmung im gewaltigen Stadion. Fans beschwerten sich über mangelnde Englischkenntnisse von Ordnern und Helfern. Weite Wege in der größten Stadt Europas und fehlende englischsprachige Schilder in der berühmten Metro machten die Anreise beschwerlich. „Es waren andere Meisterschaften. Es waren nicht die besten“, urteilte Sprint-Superstar Usain Bolt. Werbung für kommende Großereignisse von der Schwimm-WM 2015 in Kasan bis hin zur Fußball-WM 2018 konnte diese Leichtathletik-WM nicht machen.

Zum kritischen Eindruck vieler Sportler und Zuschauer trug nicht zuletzt die Debatte über das äußerst umstrittene russische Anti-Homosexuellen-Gesetz bei, die mit Macht über das Turnier einbrach. Plötzlich waren sportliche Leistungen zweitrangig, wurde fast jeder Athlet zu seiner Meinung zum Druck des Kreml auf Schwule und Lesben befragt. Immer wieder war es Sportminister Mutko, der die Bedeutung des Gesetzes hervorhob.

„Wir wollen unsere junge Generation beschützen, deren Geist noch nicht vollständig geformt ist“, sagte Mutko zum Abschluss der WM. „Wir wollen die jungen Leute vor der Propaganda von Trunksucht, Drogen und nicht traditionellen sexuellen Beziehungen schützen. Wenn sie erwachsen sind, müssen sie selbst entscheiden, was sie wollen.“ Vor allem im Westen war die Empörung groß, Forderungen nach einem Boykott der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi wurden laut.

Umso wertvoller wirkte deshalb für die Gastgeber der erste Rang in der Nationenwertung. Demonstrativ zufrieden zeigten sich auch die offiziellen Vertreter. Genau 268 548 Zuschauer zählte der russische Leichtathletikverband, das seien deutlich mehr gewesen als zwei Jahre zuvor im südkoreanischen Daegu. Und der Gouverneur des Moskauer Gebiets, Andrej Worobjow betonte - wohl auch mit Blick auf die Kommunalwahlen am 8. September - es habe keine ernstzunehmenden Zwischenfälle gegeben.

Gerade am Abschlusswochenende bekamen Besucher den Eindruck, dass Moskau doch noch seinen Frieden mit der Weltmeisterschaft gemacht hatte. Hilfreiche Ordner wiesen freundlich den Weg - was angesichts der bekannten Grantigkeit russischer Platzanweiser für Verblüffung sorgte. Das Stadion war voll, und während wichtiger Entscheidungen mit russischer Beteiligung produzierten Zehntausende Zuschauer einen ohrenbetäubenden Lärm. „Viel mehr Leute sind sehr viel entspannter gewesen, viel mehr Leute haben gelächelt. Am Anfang war es nicht so gut“, urteilte Dreifach-Weltmeister Bolt.

Der Jamaikaner war einer der wenigen nichtrussischen Teilnehmer, den das Publikum enthusiastisch bejubelte. Das lag aber nicht nur an seiner herausragenden Leistung. Als Schlussläufer der 4x100-Meter-Staffel sicherte Bolt seinem Land die Goldmedaille vor den USA - und damit den russischen Sieg im Medaillenspiegel. „Bravo, Russland! Danke, Usain!“, titelte das Fachblatt „Sport Express“.