Spiegelburg, Obergföll: WM-Revanche krönt Chaos-Jahr

Zürich (dpa) - Nicht einmal ihren größten Erfolg konnte Silke Spiegelburg in dieser verrückten Saison wirklich unbeschwert genießen. Die Stabhochspringerin schleppte ihren Diamant-Pokal aus dem „Letzigrund“ und stöhnte: „Der ist voll schwer.

Den kriegen meine Eltern mit. Die sind mit dem Auto hier.“

Spiegelburg hat in Zürich als zweite deutsche Leichtathletin nach Speerwerferin Christina Obergföll die Gesamtwertung in der Diamond League gewonnen. Das brachte ihnen nicht nur diesen schweren Pokal ein, sondern auch eine Prämie von 40 000 Dollar.

Da beide das wohl bekannteste Meeting der Welt auch zu ihrer persönlichen, emotionalen WM-Revanche nutzten, blicken nun sowohl Spiegelburg als auch Obergföll zumindest halbwegs versöhnt auf einen wirklich filmreifen Saisonverlauf zurück - auf ein Drama in vier Akten, wenn man so will.

Beide starteten im Frühjahr mit einem Handicap in die Saison, weil die Speerwerferin zunächst noch am Knie operiert werden und die Stabartistin ihr Trainingslager wegen einer Erkrankung abbrechen musste. Beide gewannen danach aber auf einmal so viele Meetings, dass sie mit großen Erwartungen zur WM in Daegu flogen - und auf brutale Art und Weise enttäuschten. Obergföll wurde als Topfavoritin nur Vierte, Spiegelburg als Medaillenkandidatin Neunte. „Ich habe zwei Tage am Stück nur geheult“, erzählte Obergföll in Zürich.

Der „Letzigrund“ war nun der Ort ihrer Genugtuung, der ersehnten WM-Revanche. Der 25 Jahre alten Spiegelburg reichte ein zweiter Platz hinter der höhengleichen US-Springerin Jennifer Suhr (beide 4,72 Meter) zum Triumph im „Diamond Race“, die fünf Jahre ältere Obergföll besiegte mit dem Meetingrekord von 69,57 Metern noch einmal all jene - Viljoen, Abakumowa, Spotakova -, die in Daegu vor ihr gelandet waren.

Doch die Parallelen hören an diesem Ort auch auf. Denn während Spiegelburg sich über ihren historischen Erfolg uneingeschränkt freute („Ich bin überglücklich. Das war ein versöhnlicher Abschluss nach dieser chaotischen Saison.“), hat ihre Teamkollegin die große WM-Enttäuschung noch immer nicht ganz verdaut. „Das ist ein kleiner Titel und nicht die große Goldmedaille“, sagte Obergföll. Dass sie in der Diamond League für ihren Gesamterfolg und die fünf Tagessiege (je 10 000 Dollar) immerhin 90 000 Dollar an Erfolgsprämien kassiert hat, „wiegt nicht auf, was ich in Daegu verloren habe“.

Obergföll schnappte sich in Zürich eine deutsche Fahne und lief eine kleine Ehrenrunde. Sie wirkte, als ob sie am liebsten schon morgen die Olympischen Spiele in London eröffnen würde, um endlich ihren ersten großen Titel zu gewinnen. „Ich habe gezeigt, dass ich wütend war und was ich kann. Ich war den ganzen Wettkampf über heiß“, meinte die Offenburgerin. Im Gegensatz zu Spiegelburg hat sie sich auch ein konkretes Ziel für das ISTAF am Sonntag in Berlin gesteckt: „Ich will noch einmal 70 Meter werfen. Dann wäre ich absolut mit mir im Reinen. Ich möchte vergessen, was in Korea passiert ist.“

Diskus-Weltmeister Robert Harting saß zu diesem Zeitpunkt längst auf der Tribüne des „Letzigrund“-Stadions. Der Berliner hatte schon früh am Abend seinen 17. Sieg in Serie gefeiert, den Gesamterfolg in der Diamond League aber knapp verpasst. Virgilijus Alekna aus Litauen bestritt in dieser Saison einfach mehr Wettkämpfe als er.

Harting war das egal, er hatte in diesem Jahr alles auf die WM ausgerichtet und war vielleicht auch deshalb deutlich beständiger als Spiegelburg und Obergföll. „Ich freue mich über diesen Sieg“, meinte er. „Aber ich habe das Gefühl, je häufiger man in der Diamond League startet, desto mehr verheizt man sich. Das ist meine Philosophie.“