Starkes Speerwurf-Quartett um Obergföll fliegt zur WM
Nürnberg (dpa) - Bei der Leichtathletik-WM in Peking dürfen sich die deutschen Speerwerferinnen große Medaillenhoffnungen machen. Gleich vier sind am Start, darunter auch Titelverteidigerin Obergföll.
Der kleine Marlon fängt jetzt an zu laufen und war zum ersten Mal bei einem Wettkampf seiner Mama dabei. Dafür dass Christina Obergföll letztes Jahr Babypause hatte und zuletzt um ihre Form kämpfen musste, fliegt der Speer schon ziemlich weit.
Die Weltmeisterin gehört wieder zur Weltklasse und kann beruhigt zur Weltmeisterschaft fliegen. „Ich wollte einfach mal wieder einen Schritt nach vorne machen und nicht bei 60 Metern rumeiern“, sagte die Offenburgerin nach ihrem zweiten Platz am Sonntagabend bei den deutschen Leichtathletik-Titelkämpfen. Dass ihr die Leverkusenerin Katharina Molitor den Titel wegschnappte, trug Obergföll mit Fassung.
In keiner anderen Disziplin hat der Deutsche Leichtathletik-Verband derzeit so eine internationale Klasse aufzuweisen wie bei diesen wurfgewaltigen Frauen. Dank der Wildcard von WM-Titelverteidigerin Obergföll dürfen vier statt drei Speer-Spezialistinnen nach Peking (22. bis 30. August). Also fliegen Obergföll, Molitor, Linda Stahl und Christin Hussong, die in dieser Reihenfolge mit 65,40 Metern, 64,11, 62,57 und 61,19 die Plätze in Nürnberg belegten. Schöne Aussichten, aber die Olympia-Dritte und Ex-Europameisterin Stahl blickte schon mal auf den Ausscheidungskampf 2016, wenn nur drei zu den Sommerspielen nach Rio de Janeiro dürfen: „Nächstes Jahr, das wird richtig hart“.
Mit U 23-Europameisterin Hussong (Zweibrücken) hat das routinierte Trio Zuwachs bekommen. Stahl ist trotz ihrer großen Belastung als Ärztin in der Urologie des Leverkusener Klinikums weiterhin gut dabei, auch wenn sie vor der WM noch mal durchatmen muss: „Der Akku war jetzt total leer, das war alles ein bisschen viel.“
Meisterin Molitor, die nebenbei für Bayer Leverkusen auch noch in der 2. Volleyball-Bundesliga spielt, hat in dieser Saison einen Riesenschritt gemacht und liegt mit ihren 66,40 Metern von Luzern an der deutschen Spitze. „Der Knoten ist geplatzt. Zwei Wettkämpfe lag ich über meiner Bestleistung, die drei Jahre stand“, sagte die 31-Jährige zufrieden.
Was allen deutschen WM-Starterinnen Mut macht: „Die internationale Konkurrenz ist im Moment nicht übermächtig. Und Barbora Spotakova hat auch zu kämpfen“, erklärte Obergföll. Die Weltrekordlerin und Olympiasiegerin aus Tschechien war zwar im vergangenen Jahr wie jetzt Obergföll nach einer Babypause zurückgekehrt und gleich Europameisterin geworden. Doch in der Weltbestenliste liegt sie derzeit mit 65,00 Metern nur auf Rang acht. Da führt die Südafrikanerin Sunette Viljoen in deutlicher Sichtweite der Deutschen mit 66,62 Metern.
Obergföll hatte nach zuletzt eher sinkender Form doch noch einmal Zweifel bekommen, ob sie ihren eigenen Ansprüchen genügt. Als totale Außenseiterin mit Wildcard wollte sie nicht nach Peking reisen, das hatte sie oft genug mit ihrem Ehemann und Trainer Boris besprochen. „Ich habe zu Boris gesagt: Wenn ich heute hier keinen vernünftigen Wettkampf mache, dann werde ich mir schwer überlegen, ob ich mein Kind 14 Tage lang alleine lasse.“
Jetzt muss doch die Oma ran. Und die 33-Jährige Obergföll, die bei Olympia 2008 in Peking mit Bronze die einzige Medaille des DLV überhaupt gewonnen hatte, meinte nach einem anstrengenden ersten Jahr als Mutter: „Ich bin gespannt, was passiert, wenn ich mal zehn Tage voll aus Speerwerfen konzentriert bin.“