Wurf aus der Maschine: Obergfölls Kraftakte

Kassel (dpa) - Ein Wurf mit fast perfekter Technik - kein Wunder: das Erfolgsgeheimnis kommt aus der Maschine. Der Speer von Christina Obergföll landete zum Abschluss der deutschen Leichtathletik-Meisterschaften bei starken 68,86 Metern.

International hat die 29-jährige Offenburgerin derzeit nur Weltrekordlerin Barbora Spotakova aus Tschechien vor sich. Auf dem Weg zum erhofften ersten internationalen Titel baut Obergföll neuerdings auf eine spezielle Kraftmaschine. „Die Europameisterin hat eine, die amtierende Olympiasiegerin möchte jetzt auch eine haben“, sagte die Vize-Europameisterin und deutsche Rekordhalterin lächelnd. „Aber das, was ich zu Hause stehen habe, kann sich eigentlich keiner leisten.“

Die derzeit angeschlagene Linda Stahl (Leverkusen) hatte Obergföll im vergangenen Jahr in Barcelona den EM-Titel weggeschnappt. Spotakova holte 2008 in Peking Gold, Obergföll sorgte damals mit Bronze für die einzige deutsche Leichtathletik-Medaille bei Olympia. Bei der Heim-WM 2009 in Berlin hieß die Sensationssiegerin Steffi Nerius - und Obergföll ging als Fünfte ganz leer aus. Zweimal WM-Silber (2005 und 2007) hat sie daheim hängen, jetzt - sagen viele - wäre die frühere Europarekordlerin (70,03) Meter) mal dran mit dem ganz großen Wurf.

Und so tüfteln Obergföll und ihr Trainer Werner Daniels jedes Jahr von neuem an Trainingsplan und Methodik. „Sensationell gut“ laufe es, so die Studentin. In Offenburg haben die beiden eine neue Leichtathletik-Halle mit Wurf-Haus - und seit Februar eine spezielle Kraftmaschine, die einen satten fünfstelligen Betrag wert ist. „Eigentlich ist es für Kraftübungen, bei der man ein Gewicht auf einem Schlitten mit der gleichen Bewegung zieht, wie man den Speer wirft“, erklärte Obergföll. „Das scheint sich auch gut auf meine Technik ausgewirkt zu habe.“

Das große Gerät ist eine Spezialanfertigung, die in der Ausbildungswerkstatt ihres Sponsors her- und ihr zur Verfügung gestellt wurde. „Wir werfen da immer nur nachts“, berichtete Daniels schmunzelnd und der Leitende Bundestrainer Herbert Czingon scherzte bei der Pressekonferenz mit der deutschen Meisterin, man möge wegen möglicher Spione nicht so laut reden.

Der Titel bei den Weltmeisterschaften in Daegu/Südkorea (27. August bis 4. September) wird jedoch nicht im Kraftraum vergeben. Das wissen auch Obergföll und ihr langjähriger Coach. „In erster Linie gesund und locker bleiben, Spaß haben beim Speerwerfen und viel, viel trainieren“ - so lautet das Motto der fröhlichen Sportlerin für die fünf Wochen bis zur WM.

Nach zwei Knie-Arthroskopien ist Obergföll mit weniger Erwartungen als sonst in die Saison gegangen. Lange führte sie die Weltbestenliste an und feierte drei Siege in der Diamond League. Aber Spotakova ist im Kommen und hat Obergföll am Freitag in Monaco mit der Weltjahresbestweite von 69,45 Meter geschlagen. „Sie hat gezeigt, dass sie sehr stark ist und auch kontern kann“, sagte die Lebensgefährtin von Speerwurf-Bundestrainer Boris Henry respektvoll und warnte auch vor der Olympia-Zweiten Maria Abakumowa aus Russland: „Sehr, sehr gefährlich. Für mich ist sie ein Tier. Ich sage zu Werner immer: Wehe, wenn die mal einen Wurf richtig trifft.“