Expansionsdrang: Ecclestones Vermessung der Welt
Shanghai (dpa) - Bernie Ecclestone vermisst die Welt nach seinen eigenen Maßstäben. Der Chefvermarkter der Formel 1 sucht für sich und sein Premiumprodukt die profitabelsten Märkte.
„Die Formel 1 muss in diesem Teil der Welt vertreten sein“, sagt der 82-Jährige dann gerne, wenn er einen potenziellen Neuzugang entdeckt. Rein darf, wer gut zahlt. Und ein Versprechen für die Zukunft abgibt. China war so ein verheißungsvoller Ort. Vor zehn Jahren feierte der Große Preis in Shanghai seine Premiere. Das Reich der Mitte war eine wichtige Etappe auf Ecclestones Expansionstour. Haben sich die Erwartungen erfüllt? Wie profitabel ist die Globalisierung der attraktivsten Rennserie der Welt?
Die Formel 1 kommt in China seit 2004 nur mühsam voran. China hat keine gewachsene Fankultur. Der interessierte Nachwuchs verfügt oft nicht über das nötige Kleingeld, um seinen Heroen von den Tribünen des imposanten Shanghai International Circuit zuzujubeln. „Ich bin wegen China besorgt“, sagte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh vor dem dritten Saisonlauf. Das Potenzial in dem Land sei groß, aber die Formel 1 und die Sponsoren hätten es seit dem Start 2004 versäumt, den Fans die komplexe Sportart näherzubringen.
„Wenn du ein neues Produkt in einen neuen Markt einführst, hast du in der Regel eine Marketingstrategie und betreibst Werbung“, ergänzte Whitmarsh. Die Formel 1 habe sich aber stattdessen etwas zurückgelehnt. „Wir als Sportart sind ein bisschen arrogant. Wir kommen an, und die Leute werden uns schon sehen wollen. Aber China braucht uns nicht.“ Man könne nicht voraussetzen, dass Fans den beschwerlichen Weg aus dem Zentrum in das ehemalige Sumpfgebiet auf sich nehmen, um zur Strecke im Stadtteil Pudong zu pilgern.
Das Interesse an der Formel 1 in der Volksrepublik ist dennoch offenkundig. Die Sponsoren setzen weiter auf klingelnde Kassen, gerade für Autobauer wie Mercedes und Ferrari ist das Riesenreich ein wichtiger Wachstumsmarkt.
Aber Ecclestone hat auch Sorgenkinder unter den Emporkömmlingen. Das Gastspiel in Südkorea ist trostlos, in Indien geht das Interesse an der Veranstaltung wieder zurück, in Bahrain halten die politischen Unruhen an. Top sind dagegen das Nachtrennen in Singapur und die Glitzershow in Abu Dhabi. Echte Juwelen im Kalender.
Die Expansion soll weitergehen. 2014 sollen Sebastian Vettel & Co. vor der Skyline New Yorks ihre Runden drehen. Auch der russische Olympia-Ort Sotschi steht in den Startlöchern. Thailand, Mexiko und Argentinien gelten als potenzielle Bewerber.
Vielen Veranstaltern im alten Kernmarkt Europa geht dagegen die Luft aus. Der deutsche Grand Prix am Nürburgring war lange bedroht. Barcelona und Valencia sollen sich künftig abwechseln, weil zwei Spanien-Rennen pro Jahr zu teuer sind. Österreich, Imola, Frankreich und die Türkei sind in diesem Jahrtausend aus dem Kalender verschwunden. 2013 finden daher von 19 Rennen nur noch sieben in Europa statt - so wenige waren es zuletzt 1969.
Die alte Heimat hat jedoch zumindest gewachsene Strukturen. Das kann China nicht vorweisen. „Verglichen mit Tennis braucht man drei bis vier Generationen, um das aktuelle Wettkampf-Level zu erreichen. Außerdem ist die Formel 1 nicht wie Tennis, das man einfach so spielen kann, wenn man einen Schläger hat“, beschrieb Pan Yongyong vom Vermarkter des Shanghai-Rennens der Nachrichtenagentur dpa die Probleme mit dem Nachwuchs.
China hat eben noch keinen Michael Schumacher oder Fernando Alonso, um die Rennserie besser zu vermarkten. Dass es funktionieren kann, zeigen die Beispiele Li Na im Tennis und Yao Ming im Basketball. Ma Qinghua konnte immerhin im September 2012 mit einem Trainingseinsatz seine Premiere in der Königsklasse feiern und ist damit erster Formel-1-Pilot aus dem Reich der Mitte.
Der 25-Jährige, der auch am Freitag Übungsrunden für Caterham drehen durfte, sieht noch großen Nachholbedarf in seinem Land. Zugleich meint er optimistisch: „Dieser Sport wird sich in Zukunft rasant entwickeln.“ Das hofft auch Chefvermarkter Ecclestone.