Formel 1: Vettel siegt im Machtkampf bei Red Bull

Vor dem Grand Prix in Schanghai schürt er selbstbewusst den Zwist bei Red Bull.

Schanghai. Das Red Bull-Gasthaus war voll, schon beim Betreten merkte Sebastian Vettel an, „dass es hier wohl etwas Besonderes geben muss“. Vettel spürte auch die feindselige Stimmung der englischen Medienvertreter. Doch so verzweifelt die auch versuchten, ihn hier in eine Ecke zu drängen und ihm „unfaires Verhalten“ anzukreiden — Vettel stand bei seinem ersten großen Auftritt in Shanghai über allem. Der jüngste dreimalige Formel-1-Weltmeister aller Zeiten macht auf selbstbewusst.

Warum auch nicht: Nach der Stallorder-Affäre in Malaysia hat er sich klar positioniert — und wurde jetzt von Red-Bull-Sportkoordinator Helmut Marko und dem „Red-Bull-Oberboss“ Dietrich Mateschitz bestätigt: Bei Red Bull gibt es in Zukunft keine Teamorder mehr. Damit ist gleichzeitig festgeschrieben: Christian Horner mag zwar formal Teamchef sein, zu melden hat er aber nicht viel. Das Sagen haben Vettel, Mateschitz und sein „Stellvertreter“ Marko. Also der, der dank seiner überragenden Leistungen im Auto die Erfolge einfährt. Und die, die das Geld geben. Wobei Mateschitz, der ja in PR-Zahlen denkt, sicher nicht nur seine grundsätzliche Abneigung gegen Stallregie getrieben hat, sondern auch die Ergebnisse fast aller Fan-Umfragen, in denen Vettel Zustimmung für seine Aktion bekam. Tenor: „Wir wollen Rennen sehen — und der Schnellere soll gewinnen.“

Er habe „den Funkspruch zur Stallorder im Moment der Hitze des Gefechts nicht richtig verstanden“, erklärte Vettel in Schanghai noch einmal, „ob ihr mir das nun glaubt oder nicht, ist eure Sache, ich kann nur wiederholen, dass es die Wahrheit ist.“ Und weiter: „Wir bekommen während eines Rennens so viele Codes, auch zum Verändern von technischen Einstellungen, da habe ich dieses Multi 21 nicht richtig zugeordnet. Ich war nur auf eines fixiert: Dieses Rennen zu gewinnen.“ Multi 21 — das war die Teamorder: Auto Nummer 2 vor Auto Nummer 1, Mark Webber also vor Sebastian Vettel.

Dafür, als der Schnellere am Ende den Sieg geholt zu haben, müsse er sich nicht entschuldigen. „Das ist der Grund, warum ich hier bin und wofür ich bezahlt werde.“ Viel Selbstbewusstsein für einen, der nach Malaysia stark in der Kritik stand — und jetzt doch gestärkt aus der Teamorder-Affäre herauszugehen scheint. Auf die Nachfrage, wie er denn agiert hätte, wenn er die Anweisung verstanden hätte, sagte Vettel: „Dann hätte ich darüber nachgedacht — und in Anbetracht der Ereignisse der letzten Jahre glaube ich nicht, dass Mark es verdient gehabt hätte, dass ich als Zweiter hinter ihm bleibe und ihn praktisch das Rennen gewinnen lasse.“ Womit der Weltmeister die Vergangenheit anspricht, in der Webber getroffene Absprachen ignorierte, etwa im WM-Finale 2012 in Brasilien, als Webber Vettel am Start „einklemmte“ und damit erst in die kritische Situation brachte, die kurz danach zum Unfall mit Bruno Senna und nur mit viel Glück nicht zum Aus führte. Oder im selben Rennen noch einmal, als Webber Vettel bei dessen Aufholjagd im Weg stand.

Mit Nachteilen aus dem offenen Stallkrieg rechnet Vettel nicht. Es habe sich ja eigentlich nichts verändert. Soll heißen: Es gab vorher kein Vertrauen und keine Zusammenarbeit, und die wird es auch jetzt nicht geben. Vettel wird die Dinge für sich auf der Strecke selbst regeln — und dabei die Unterstützung der wahren Machthaber bei Red Bull genießen. Da mag sich Christian Horner, der ja mit Mark Webber geschäftlich über ein gemeinsames GP3-Team verbunden ist, noch so ärgern.

Das Gegenbild zum selbstbewussten Weltmeister Vettel lieferte in Shanghai Nico Rosberg. Der Mercedes-Pilot hatte in Malaysia noch vorsichtig angedeutet, mit der Anordnung, hinter Teamkollege Lewis Hamilton bleiben zu müssen, nicht einverstanden gewesen zu sein. Jetzt hatte die Mercedes-Gehirnwäsche beim Schanghai-Sieger von 2012 gewirkt: Das Problem sei ja nur gewesen, dass es vorher in Malaysia keine Absprachen gegeben habe. Es gilt: „Natürlich werde ich in Zukunft jeder Teamanweisung Folge leisten.“ Lewis Hamilton wird sich freuen.

“ Grand Prix in Schanghai, Sonntag, 7.45 - 11.30 Uhr/RTL