Freie Fahrt für die Vettel-Verfolger
Nürburgring (dpa) - Alle auf einen: Im Kampf gegen Formel-1-Souverän Sebastian Vettel hoffen die Verfolger notfalls auch auf Schützenhilfe ihrer direkten Konkurrenten.
„Es geht darum, Sebastian Punkte abzunehmen. Das ist der Job von uns allen. Hoffentlich sind wir es, wenn nicht, dann Ferrari oder Mark“, sagt Jenson Button. Der Brite liegt wie sein McLaren-Teamkollege Lewis Hamilton vor dem Vettel-Heimspiel auf dem Nürburgring 95 Punkte hinter dem Red-Bull-Piloten.
92 Zähler trennen Ferrari-Star Fernando Alonso vom kessen Hessen. 80 Punkte hat Teamkollege Mark Webber, der beim Training die Tagesbestzeit erzielte, weniger als Titelverteidiger Vettel. Während Alonso am Morgen die schnellste Runde gedreht hatte, musste sich der 24-jährige Deutsche in beiden anderthalbstündigen Sessionen mit dem dritten Platz begnügen. „Er kann ein paar Monate rumcruisen“, befand der von den Fragen nach dem Riesenrückstand in der WM-Wertung gelangweilte Button schon vor dem ersten Abtasten auf dem Asphalt.
Alles nur taktische Winkelzüge oder doch ehrliche Eingeständnisse? „Er ist Weltmeister, er hat ein großartiges Auto, er wird hier wieder schnell sein, ohne Zweifel“, befürchtet Hamilton vor der Hatz in den Eifelwäldern. Strategie oder Respekt? „Natürlich fährt Sebastian hier sein Heimrennen, aber ich glaube nicht, dass ihm der Druck etwas anhaben wird“, ergänzte Hamilton.
Mit einem Sieg in der Eifel würde Vettel die deutsche Durststrecke bei Heimrennen nach fünf Jahren beenden. Zuletzt sorgte Rekordchampion Michael Schumacher 2006 mit Erfolgen auf dem Nürburg- und dem Hockenheimring für rauschende PS-Feste vor heimischer Kulisse. Es wäre also an der Zeit.
Mit allen Mitteln wird Vettel aber nicht auf Sieg fahren. „Mit Gewalt geht gar nix“, betonte der Heppenheimer. Der einstige Heißsporn ist in den vergangenen anderthalb Jahren enorm gereift, Kalkül fährt im Cockpit mit. Zum Leidwesen der Verfolger. „Für uns geht es darum, einige Rennen zu gewinnen und auf Fehler von Red Bull zu warten“, erklärte Alonso. So wie zuletzt in Silverstone, als sein erster Saisonsieg durch den Boxenstopp-Patzer der Vettel-Crew begünstigt worden war.
Anders als bei McLaren mit den gleichberechtigt kämpfenden Darstellern Button (2009) und Hamilton (2008) gibt es bei Ferrari nur eine Nummer 1. Seltener wurde dies deutlicher, als vor einem Jahr beim Großen Preis von Deutschland. Damals allerdings auf dem Hockenheimring.
In Führung liegend musste Felipe Massa den zweimaligen Weltmeister Alonso passieren lassen, damit der seine Aufholjagd auf Vettel richtig einläuten konnte. „Alonso ist schneller als du. Kannst du bestätigen, dass du die Nachricht verstanden hast?“, wurde Massa ins Cockpit gefunkt. Verstanden hatten es alle nur zu gut. Es folgte eine satte Geldstrafe für Ferrari und eine Diskussion um die Teamorder, letztlich wurde das Verbot des Boxenbefehls aufgehoben.
Dennoch setzt auch Vettels Teamkollege Webber weiter auf freie Fahrt, nachdem Red Bull ihn zuletzt beim Großen Preis von Großbritannien einbremsen und Vettels zweiten Platz vor dem Australier nicht gefährden wollte. „Wir können die meiste Zeit frei fahren“, meinte er vor dem 10. WM-Lauf an diesem Sonntag.
Allerdings zog der 34-jährige Australier in einem PR-Rennen für den Teamsponsor über die Nordschleife schon wieder den Kürzeren gegen den sechsmaligen Saisonsieger und dreimaligen -zweiten Vettel. „Das war nicht so schlecht für einen Youngster“, gab sich Webber nach der Zieldurchfahrt generös. Es ging aber auch nicht um die WM-Krone des 24 Jahre alten Stallrivalen.