China-Dominanz gebrochen Ovtcharov wird neue Nummer eins der Tischtennis-Welt
Astana (dpa) - In genau einer Stunde Spielzeit erfüllte sich der Traum eines ganzen Sportlerlebens. Dimitrij Ovtcharov schlug den Japaner Koki Niwa in sieben Sätzen, fiel seinem Bundestrainer Jörg Roßkopf in den Arm - und wird von Januar an die neue Nummer eins der Tischtennis-Weltrangliste sein.
Der World-Cup-Sieger aus Düsseldorf ist nach Timo Boll erst der zweite deutsche Spieler überhaupt, der die Tischtennis-Weltmacht China auf diese Weise düpiert. „Ich bin ungemein stolz, im Januar die Nummer eins zu sein. Für mich fühlt sich das an wie ein Welttitel. Ich habe 20 Jahre darauf hingearbeitet“, sagte Ovtcharov.
Einer der ersten Gratulanten war Timo Boll, da beide eine sportliche Rivalität und auch eine enge persönliche Freundschaft verbindet. „Ich freue mich besonders für Dima, aber auch für den deutschen Tischtennis-Sport und das gesamte Tischtennis“, sagte die frühere Nummer eins. „Jahrelang wurde es von China dominiert. Jetzt ist wieder Leben in unserem Sport!“
Der 29 Jahre alte Ovtcharov spielt aktuell „das beste Jahr meiner Karriere“. Sechs internationale Turniere hat er 2017 schon gewonnen. Er siegte unter anderem beim World Cup, bei den China Open, bei den German Open und bei der Team-EM. Deshalb reichte Ovtcharov bei den mit einer Million Dollar dotierten World Tour Grand Finals in Kasachstan auch schon ein 4:3-Auftaktsieg im Achtelfinale gegen Koki Niwa, um den Weltmeister und Olympiasieger Ma Long aus China von der Spitze der Weltrangliste zu verdrängen.
Unstrittig ist: Ovtcharov profitiert bei diesem Erfolg auch von einem neuen Weltranglisten-System, das Vielspieler wie ihn ab Januar begünstigt. Unstrittig ist auch: Die Superstars aus China haben gerade bedingt durch Verletzungsprobleme und den Austausch ihres nahezu kompletten Trainerteams ungewohnt große sportliche Probleme.
Bundestrainer Roßkopf betonte am Freitag aber genauso: „Dima hat es sich redlich verdient, die Nummer eins der Welt zu werden. Das ist eine tolle Bestätigung für seine Leistungen.“
Mit Asienmeister Fan Zhendong schlug Ovtcharov im November erstmals einen der beiden bis dato unantastbaren Chinesen. Mit seinem Sieg gegen Koki Niwa gelang ihm am Freitag auch eine Revanche für seine bitterste Niederlage in diesem Jahr. Gegen den Weltranglisten-Achten hatte er im Juni bei der WM in Düsseldorf im Achtelfinale verloren.
Die „Stuttgarter Zeitung“ nannte Ovtcharov in dieser Woche einen Schwamm. „Einer, der alles in sich aufsaugt. Einer, der alles wissen will und in die Tiefen dieses komplexen Sports eintaucht. Einer, der die DNA des Tischtennis entschlüsseln möchte und beim Frühstück Youtube-Videos der Gegner auf dem Smartphone studiert.“
Schon vor seinen Erfolgen in diesem Jahr gewann Ovtcharov im Einzel zwei EM-Titel sowie Olympia-Bronze 2012. Zu seiner Karriere gehört aber auch ein entkräfteter Doping-Verdacht aus dem Jahr 2010, als er zunächst positiv auf das Kälbermastmittel Clenbuterol getestet wurde, sich dann aber herausstellte, dass er in China verseuchtes Fleisch gegessen hatte. Ovtcharov wurde freigesprochen.
Sieben Jahre später steht er an der Spitze der Tischtennis-Welt. Und auf einmal ergeben sich Perspektiven, an die er selbst nie richtig geglaubt hat. Im Mai findet in Schweden die nächste Mannschafts-WM statt. Und den jahrelang unschlagbaren Chinesen steht dann ein deutsches Team gegenüber, zu dem der neue Weltranglisten-Erste (Ovtcharov) und der Welt-Tischtennis-Spieler des Jahres 2017 (Boll) gehört. Er sei „sehr gespannt“, sagte der deutsche ITTF-Präsident Thomas Weikert. „Dem Sport tut diese Abwechslung gut.“