Voeckler gewinnt 10. Tour-Etappe - Voigt Dritter
Bellegarde-sur-Valserine (dpa) - Bradley Wiggins ganz cool - und Jens Voigt fast wie ein junger Hüpfer: Die erste Alpenetappe der 99. Tour de France hatte mindestens zwei Stars.
Der Mann im Gelben Trikot parierte auf der 10. Etappe die Angriffe von Vincenzo Nibali und Cadel Evans und geht mit weiter 1:53 Minuten Vorsprung auf den Vorjahressieger aus Australien in die „Königsetappe“. Voigt schien seine 40 Jahre auf der Etappe über drei Berge vergessen zu haben. „Ich denke einfach nicht daran, wie alt ich bin“, sagte der Drittplatzierte.
Beim zweiten Heimsieg der Franzosen durch den umstrittenen Thomas Voeckler - gegen sein Team Europcar wird Medienberichten zufolge seit Monaten wegen Dopingverdachts ermittelt - kassierte der älteste Tour-Teilnehmer aus Berlin fast genauso viel Applaus nach den 194,5 Kilometern. Auf den letzten neun Kilometern hatte sich der Veteran aus dem Chaos-Team RadioShack-Nissan an das führende Quartett um Voeckler und den zweitplatzierten Michele Scarponi in unnachahmlicher Manier herangekämpft und von seinem zweiten Etappensieg seit 2006 geträumt.
„Es war ein sehr harter Tag für alle. Ich schwöre, ich war nur noch im Überlebensmodus. Das war ein Tunnel voller Schmerzen“, sagte ein zunächst völlig ausgepumpter, dann aber erstaunlich schnell wieder schlagfertiger Voigt, der vermutlich seine letzte Tour bestreitet. „Ich kann offiziell erklären, dass ich mir am Donnerstag einen ruhigeren Tag gönnen werde“, erklärte er vor Dutzenden Reportern am Teambus.
Im Schlussspurt auf der leicht ansteigenden Zielgeraden war er gegen Voeckler, der auch ins Bergtrikot fuhr, und Scarponi chancenlos. „Die letzten 1000 Meter kamen mir vor wie 10 000. Ich hatte das Laktat schon bis zu den Ohren“, erklärte Voigt. Immerhin blieb dem wackeren Kämpfer aus Berlin-Grunewald, der zuletzt 2006 eine Tour-Etappe gewonnen hatte, ein Podiumsplatz und die uneingeschränkte Verehrung der Franzosen, die den gebürtigen Mecklenburger seit Jahren in ihr Herz geschlossen haben.
Wiggins spulte dagegen eine weitere erfolgreiche Etappe auf dem Weg zum ersten Tour-Erfolg eines Briten runter. „Es ist immer schwer, nach dem Ruhetag wieder in den Rennrhythmus zu finden. Ich bin mit dem heutigen Tag sehr zufrieden - wir machen von Tag zu Tag weiter“, erklärte der Kapitän des überragenden Tour-Teams Sky.
Nach nicht einmal 40 Kilometern hatte sich eine 25 Fahrer starke Spitzengruppe gebildet, in der Prominenz in Hülle und Fülle vertreten war. Allerdings war keiner der Ausreißer im Klassement gefährlich für das Führungs-Quartett um Wiggins. Beim Anstieg auf den gefürchteten Grand Colombier zerfiel die Gruppe, in der bereits Voigt sein Glück in der Flucht gesucht hatte.
Schon auf dem Gipfel zeichnete sich ab, dass Voeckler, Luis-Leon Sanchez (Spanien) und Dries Devenyns (Belgien) das Ziel vor der Favoritengruppe erreichen würde - Voigt wäre dabei beinahe vergessen worden. Auf der Talfahrt versuchte Nibali, der als einer der mutigsten Abfahrer im Feld gilt, eine Attacke und fuhr sogar 55 Sekunden auf Wiggins und Evans heraus. Kurz vor dem letzten Gipfel des Tages wurde er aber wieder von Wiggins und Co. eingeholt.
Der Höhepunkt der ersten Alpenetappe war der 1 501 Meter hohe Col du Grand Colombier. Der vorletzte Anstieg 43 Kilometer vor dem Ziel erlebte seine Tour-Premiere und gilt unter Radsportlern als der schwierigste Anstieg in Frankreich. Auf 17,4 Kilometern muss immer wieder der Rhythmus gewechselt werden. Die Steigung variiert zwischen drei und zwölf Prozent. 1255 Höhenmeter waren zu bewältigen.