Zurück im Doping-Sumpf: Sinkewitz wieder erwischt
Berlin (dpa) - Ausgerechnet der frühere Doping-Kronzeuge und scheinbar geläuterte Patrik Sinkewitz ist den Fahndern wieder ins Netz gegangen. Mit einem erneuten positiven Dopingtest hat der 30-Jährige für eine traurige Premiere gesorgt und steht als Wiederholungstäter vor einer lebenslangen Sperre.
Als erster Radprofi wurde der Hesse aus Fulda positiv auf das Wachstumshormon HGH getestet. Der in Italien bei Farnese Vini beschäftigte Sinkewitz war am 27. Februar 2011 beim Grand Prix Lugano in der Schweiz bei einem Wettkampftest aufgefallen. Das teilte der Weltverband UCI mit und suspendierte den Deutschland-Tour-Sieger von 2004.
„Um die zu schützen, die einen sauberen Radsport betreiben, müssen Leute wie Sinkewitz raus“, sagte BDR-Präsident Rudolf Scharping der Nachrichtenagentur dpa. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) muss jetzt nach UCI-Aufforderung ein Verfahren eröffnen, an dessen Ende die lebenslange Sperre des ehemaligen T-Mobile-Profis stehen könnte.
Nach der neuesten Vereinbarung mit dem nationalen Verband ist aber die Nationale Anti-Doping-Behörde NADA für das gesamte Prozedere bis hin zu möglichen Sanktionen zuständig - jedenfalls nach eigener Darstellung. „Es ist richtig, dass in diesem Fall das Ergebnis-Management erstmals im Radsport an die NADA übertragen wird“, bestätigte NADA-Sprecher Berthold Mertes. Scharping betonte, das BDR-Ziel sei eine „lebenslange Sperre“. Sinkewitz kann vor einer möglichen Strafe noch die Öffnung der B-Probe beantragen.
Der BDR machte das Kompetenz-Gerangel und die Verwirrung mit seiner offiziellen Erklärung perfekt. „Da die Kontrolle durch die UCI bei einem internationalen Rennen erfolgte, ist ausschließlich die UCI für das Ergebnismanagement zuständig. Sollte nach Abschluss des Ergebnismanagements die Voraussetzungen für die Einleitung eines Verfahrens vorliegen, wird die UCI gemäß Reglement dem BDR den weiteren Verfahrensgang übertragen.“
Mit der Enttarnung von Sinkewitz ist der UCI offensichtlich ein Überraschungscoup gelungen. „Wir sind seit einiger Zeit imstande, Wachstumshormone nachzuweisen. Das wollten wir aber nicht groß offiziell verkünden, um bei Tests ein Überraschungsmoment zu haben“, sagte UCI-Sprecher Enrico Carpani dem Internetportal „Cycling News“.
Am 18. Juni 2007 war bei Sinkewitz, der zunächst nicht zu erreichen war, in der A-Probe ein deutlich erhöhter Testosteron-Epitestosteron-Quotient festgestellt worden. Er verzichtete damals auf die Öffnung der B-Probe, was einem Eingeständnis gleichkam. Später gestand er, sich mit einem testosteronhaltigen Gel gedopt zu haben. Sinkewitz kooperierte mit den Verbänden und Behörden, wurde deshalb nur ein Jahr gesperrt und kehrte 2009 in den Radsport zurück.
Im Rahmen seiner Aussagen hatte er auch zugegeben, beim Start der Tour de France 2006 nach der Suspendierung Jan Ullrichs in die Uni-Klinik Freiburg gefahren zu sein, um sich unerlaubte Bluttransfusionen geben zu lassen. Seine Doping-Beichte hatte mit zum Rückzug von T-Mobile aus dem Radsport-Sponsoring und dem Aus der Live-Berichterstattung von ARD und ZDF von der Tour 2009 geführt. Für 2012 haben die öffentlich-rechtlichen Sender denselben Schritt angekündigt.
„Ich habe aus meinen Fehlern gelernt - vielleicht mehr als andere. Ich bin überzeugt, das der Internationale Radsport-Verband mehr im Kampf gegen Doping tut als andere Verbände“, hatte Sinkewitz noch bei der Luxemburg-Rundfahrt im Juni 2010 erklärt. In diesem Mai wollte er beim Giro d'Italia an den Start gehen und stand bis zuletzt im Aufgebot seines Farnese-Teams für den ersten Klassiker Mailand-San Remo. Die Italiener suspendierten ihn vorläufig und drohten mit Rauswurf, wenn die B-Probe seine Schuld erweisen sollte.
Der tschechische Drittligist PSK Whirlpool hatte dem Hessen im November 2008 nach Ablauf seiner verkürzten Sperre und nach langem Suchen nach seinem ersten Vergehen wieder eine Anstellung als Radprofi angeboten. Im Folgejahr kündigte Sinkewitz aber und musste erneut lange warten, bis er wieder in Team fand.
Seine ehemaliger Anwalt Michael Lehner war überrascht über die neueste Entwicklung. „Ich bin davon ausgegangen, dass Herr Sinkewitz nach seiner Kronzeugenregelung und seiner öffentlich bekundeten Einsicht ein sauberer Athlet ist. Ich wäre sehr enttäuscht, wenn ich mich in meiner Einschätzung täuschen würde“, sagte Lehner der dpa. Der Heidelberger Sportrechts-Experte wies darauf hin, dass sein Mandat nach der ersten Sinkewitz-Verhandlung 2008 abgeschlossen sei. Im neuen Vorfall habe er von Sinkewitz nichts gehört.