Gold-Reiter sind bereit für Rio
Blair Castle (dpa) - Schon kurz nach dem erneuten Triumph ging Michael Jungs Blick ein Jahr nach vorne. „Für mich ist es wichtig, auch in die Zukunft zu schauen“, sagte der Reiter vor dem nächtlichen Heimflug: „Jetzt habe ich einen neuen Champion für die Zukunft.“
Gemeint war der erst achtjährige Wallach Takinou, mit dem Jung bei der EM erneut Doppel-Gold gewann - und der nun ein Kandidat für die Olympischen Spiele in Rio ist. Der ungewöhnliche Plan auf dem Weg über Schottland nach Brasilien hat sich gelohnt. „Danke für das Vertrauen“, sagte Vater Joachim Jung zu Bundestrainer Hans Melzer, der dem riskanten Plan zugestimmt hatte. Mancher hatte den Kopf geschüttelt, weil Jung ein Nachwuchspferd in Blair Castle einsetzen wollte.
„Ich habe jetzt noch ein Pferd mehr für die nächsten großen Aufgaben“, erklärte Michael Jung aus Horb mit Blick auf Rio. Seine Nummer eins im Stall ist derzeit noch Sam, mit dem er in London olympisches Doppel-Gold gewann. Doch der vor zwei Jahren in Frankreich gekaufte Takinou hat das Zeug dazu, der Nachfolger von Sam zu werden. „Das ist beeindruckend für ein so junges Pferd. Er hat mir ein super-tolles Gefühl gegeben“, lobte der Reiter den EM-Auftritt des achtjährigen Anglo-Arabers.
Für die Konkurrenz muss es beängstigend wirken, welche Auswahl der Ausnahmereiter hat. Zehn goldene Medaillen hat Jung nun innerhalb von nur sechs Jahren gesammelt und dabei auf vier verschiedenen Pferden gesessen. Das ist einmalig.
Mit 33 Jahren hat Jung schon mehrere Rekordserien aufgestellt und der Konkurrenz das Fürchten gelehrt. Jahrzehntelang stellten die Briten die dominierenden Vielseitigkeits-Teams und ritten mit William Fox-Pitt an der Spitze von einem EM-Gold zum nächsten, ehe sie von Jung & Co. abgelöst wurden.
Fox-Pitt hatte vor zwei Jahren gesagt: „Die Deutschen können nicht immer gewinnen.“ Das stimmt grundsätzlich, aber zumindest zweimal haben sie es seit dem verzweifelt klingenden Satz des Briten trotzdem getan. Auch in den schottischen Highlands mussten Fox-Pitt und Kollegen sich mit Platz zwei begnügen. Ein Ende der Serie ist nicht in Sicht, so dominant wie das Team der Bundestrainer Hans Melzer und Chris Bartle im Heimatland dieser Pferdesport-Disziplin auftraten.
„Viele andere reiten nur Gelände, wir reiten vielseitig“, antwortete Bartle auf die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis. „Und wir haben ein sehr gutes Team hinter dem Team, das ist wichtiger als in der Formel 1“, sagte der Brite, der seit mehr als zehn Jahren für den deutschen Verband arbeitet.
Auch für Bartle ist Jung das absolute Ausnahmetalent. „Michael reitet einfach alles toll, auch Dressur und Springen auf allerhöchstem Niveau“, lobte der Coach: „Er ist an allen Details interessiert, er ist noch konzentrierter, noch fokussierter geworden.“ Und einen besonderen Blick für außergewöhnlich talentierte Pferde hat Jung auch.