Außergewöhnliche Serena Williams - „Kann mehr gewinnen“
Paris (dpa) - Nach ihrem 48-stündigen Alptraum mit Happy End wollte Serena Williams nur noch eins: schlafen. „Ich habe einfach keine Energie mehr und will nur noch ins Bett“, sagte die Tennis-Diva aus den USA mit stark belegter Stimme.
Die Schweißperlen auf ihrer Stirn im Scheinwerferlicht des großen Medienraums im Stadion Philippe Chatrier zeugten ebenfalls von der starken Grippe, die sie in den vergangenen Tagen von Paris geplagt hatte und die sie nun, gut drei Stunden nach ihrem dritten Triumph bei den French Open vom „definitiv schwersten“ ihrer nun bereits 20 Grand-Slam-Titel sprechen ließ.
Durch den dritten Grand-Slam-Sieg in Serie nach den Triumphen bei den US Open 2014 und zu Beginn des Jahres in Melbourne ist die 33-Jährige jetzt nur noch zwei Erfolge davon entfernt, mit Rekord-Siegerin Steffi Graf gleichzuziehen. Deutschlands Tennis-Legende geht längst davon aus, dass die jüngere der beiden Williams-Schwestern sie in naher Zukunft übertrifft.
Es mache einfach Freude ihr zuzusehen, sagte Graf dieser Tage bei einem Sponsorentermin in Paris. „Sie hat das Potenzial, weit mehr zu gewinnen“, sagte die 45-Jährige. „Serena ist eine unglaubliche Athletin. Meiner Meinung nach hat sie Schläge, eigentlich Waffen, die einzigartig sind in der Geschichte dieses Spiels“, sagte Graf der französischen Sportzeitung „L'Équipe.“
Doch Williams war am Samstag erst einmal nur froh, eines der verrücktesten Turniere ihrer Karriere überstanden zu haben. In fünf von sieben Spielen musste die Weltranglisten-Erste über drei Sätze gehen, so auch im Finale gegen die Tschechin Lucie Safarova, das sie nach 2:01 Stunden mit 6:3, 6:7 (2:7), 6:2 gewann. Vor allem im Halbfinale gegen die Schweizerin Timea Bacsinszky wirkte Williams wegen ihrer Erkältung phasenweise wie in Trance.
Die Zeit bis zum Finale beschrieb Williams in ihrer zur Dramatik neigenden typischen Art und Weise. „Es waren 48 Stunden Alptraum“, sagte Williams. „Ich habe es nach dem Halbfinale kaum nach Hause geschafft. Ich bin sofort ins Bett und habe dann am Freitag bis vier oder fünf Uhr nachmittags geschlafen.“ Sie habe sogar ihrem Physio gesagt, dass sie nicht wisse, ob sie zum Finale antreten könne.
Aber natürlich stand sie gegen Safarova auf dem Platz. Und dass sie den Sandplatz-Klassiker im Bois de Boulogne trotz aller Probleme und skurrilen Auftritte doch gewann, unterstrich erneut ihre derzeitige Außergewöhnlichkeit im Damen-Zirkus. „Sie hat diese Gabe in sich, dass sie, wenn sie in Gefahr gerät, reagiert, und die Reaktion ist dann solch eine starke, dass die Gegnerin auf der anderen Seite normalerweise keine Chance mehr hat, sich zu wehren“, beschrieb ihr Trainer Patrick Mouratoglou die Drama-Queen.
Kein Wunder also, dass bereits in Paris alle von Williams wissen wollten, ob sie sich jetzt auch den Grand Slam, den Sieg bei allen vier Major-Events in einem Jahr, zutraue. Zuletzt hatte das im Damen-Einzel Graf 1988 geschafft. „Ich denke, das wäre überwältigend“, sagte Williams. „Natürlich würde ich das gerne schaffen.“
Aber zunächst einmal müsse sie sehen, dass sie bis Wimbledon wieder gesund und bereit sei. Beim Rasen-Showdown hat sie sich in den vergangenen Jahren stets schwergetan, kam seit ihrem letzten Triumph dort 2012 nicht mehr über das Achtelfinale hinaus. Bis Wimbledon sind es noch drei Wochen. Bis dahin will Serena Williams vor allem eins - viel schlafen.