Beckers erster Trainersieg - „Ein vertrautes Gefühl“
Melbourne (dpa) - Boris Becker hatte seinen Spaß. Während unten auf dem Centre Court sein Schützling Novak Djokovic mit TV-Experte Jim Courier im Interview flachste, lachte Deutschlands Tennis-Legende in der Spielerbox des Titelverteidigers lauthals auf und klatschte in die Hände.
Es war ein rundum gelungener Start für den dreimaligen Wimbledonsieger in seine neue Karriere, die ihn dahin zurückgeführt hat, wo er groß, bekannt und erfolgreich geworden ist - auf die Tennis-Tour.
„Es war ein sehr natürliches Gefühl, es ist ein vertrautes Gefühl für mich“, sagte Becker nach seinem Debüt als Trainer von Djokovic. In schwarzer Trainingshose und schwarzem T-Shirt verfolgte der 46-Jährige das ungefährdete 6:3, 7:6 (7:2), 6:1 des Serben zum Auftakt der Australian Open gegen den Slowaken Lukas Lacko. Djokovic suchte während der Partie immer wieder den Blickkontakt zu Becker, den er Mitte Dezember völlig überraschend als seinen neuen Head-Coach präsentiert hatte.
Dass Beckers Rückkehr ins Tennis-Metier vielerorts für Verwunderung gesorgt hatte, nahm die ehemalige Nummer eins der Welt gelassen. „Man wundert sich seit 46 Jahren über mein Leben“, sagte Becker, über den in den vergangenen Jahren mehr in den Klatschspalten als auf den Sportseiten der Medien berichtet worden war.
Doch das soll sich nun ändern, Becker scheint erkannt zu haben, dass der Job bei Djokovic vielleicht seine letzte Chance ist, im Tennis-Geschäft noch einmal richtig Fuß zu fassen. Deshalb hat sich der sechsmalige Grand-Slam-Turniersieger dazu verpflichtet, Djokovic zu allen wichtigen Turnieren zu begleiten. Was den Serben selbst überraschte. Er hatte nur mit wochenweiser Hilfe gerechnet.
Am Montag stand Becker nachmittags zunächst mit Djokovic auf dem Trainingsplatz, abends saß er dann in der Rod Laver Arena und feierte seine Premiere als Coach. Seine Aufgabe sieht er mehr im mentalen Bereich als darin, dem Weltranglisten-Zweiten noch irgendwelche tennisspezifischen Dinge beizubringen.
„Wenn ich dem Djokovic oder der Stefan Edberg dem Roger Federer noch einmal die Vorhand beibringen müsste, dann wäre was falsch“, sagte Becker. „Es geht hier nicht um Vorhand oder Rückhand. Es geht vor allem um Taktik, um Einstellung, um Psychologie“, erklärte der Rote Baron. „Wenn Grand-Slam-Sieger oder ehemalige Weltranglisten-Erste über den Sport reden, in dem sie Erfolge hatten, dann gibt es erst einmal wenig Gegenargumente“, sagte Becker, „man hat ja das vorgelebt, was man jetzt erklärt.“
Djokovic scheint bislang sehr angetan von den Impulsen, die Becker ihm gibt. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns von Anfang an so gut verstehen“, sagte der Serbe, der in Melbourne den vierten Titel in Serie holen will. „Ich bin total positiv überrascht von seiner Art.“
Becker genießt es, wieder mittendrin zu sein. Zwar betont er immer wieder, dass er ja auch als TV-Experte nie weg war vom Tennis, doch richtig eingetaucht in die Filzball-Szene ist er erst wieder, seit Djokovic ihn angerufen hat. Dass viele alte Weggefährten wie Ivan Lendl oder Stefan Edberg derzeit ebenfalls als Trainer arbeiten, erinnert ihn zusätzlich an die alten, goldenen Zeiten. „Wir haben unser Pokerface auch in der Umkleidekabine an“, erzählte Becker über die Begegnungen mit Lendl. Schon als Aktive verband die beiden eine große Rivalität. Doch nun sollen die Schützlinge der Helden von früher im Mittelpunkt stehen. „Es geht um Djokovic, nicht um Becker.“