US-Open-Aus Nachdenken und Pläne schmieden - Kerber sucht Ruhe
New York (dpa) - Nach dem frustrierenden Erstrunden-Debakel in New York sucht Angelique Kerber die Ruhe der gewohnten Umgebung. In Polen will die gescheiterte Titelverteidigerin die nächste schmerzhafte Enttäuschung hinter sich lassen und ihre innere Ruhe wiederfinden.
Zuhause nimmt sich die 29-Jährige die Zeit, ihre Schmerzen am Ellbogen auszukurieren und darüber nachzudenken, wie nach den US Open Wege aus ihrer sportlichen Krise aussehen könnten. Direkt nachdem sie das 3:6, 1:6 gegen die Japanerin Naomi Osaka beinahe widerstandslos über sich ergehen lassen hatte, wusste die Kielerin keine Antwort darauf, was vor dieser Saison falsch gelaufen ist. Sie würde es genau so wieder machen, sagte die ehemalige Nummer eins, als sie wie ein Häufchen Elend im Billie Jean King National Tennis Center kauerte. Kerber sah müde aus, als ihr doch einfiel: „Ich hätte vielleicht nur ein, zwei Wochen länger Urlaub machen sollen, um mich dann komplett zu resetten und neu zu beginnen.“
Zu wenig Erholungspause nach dem Wahnsinnsjahr 2016 sieht sie als einen möglichen Grund für ihr schwaches Abschneiden in den vergangenen acht Monaten. Schließlich war der Stress nach zwei Grand-Slam-Siegen, der Übernahme der Branchenführung und dem Saisonabschluss auf Platz eins mit dem dazu gehörenden Trubel groß. Die Erfolge zu bestätigen und sich in der Weltspitze weiter zu behaupten, wie von ihr selbst erhofft, hat sie nicht geschafft.
Die Pflichten mit Medien und Sponsoren seien nicht die Ursache für die zweite Auftakt-Pleite bei den Majors nach den French Open. „Ich kenne das ja schon“, sagte die Weltranglisten-Sechste. „Ich habe es jetzt einigermaßen hinbekommen. Ich weiß genau, wie ich meinen Tagesablauf koordiniere.“ Natürlich ist es nicht leicht, den Ballast als Nummer eins und erster deutscher Grand-Slam-Siegerin seit Steffi Graf zu verkraften. Ähnliches haben andere erfahren, wie Andy Murray.
Was Kerber fehlt, ist Selbstvertrauen. Als sie beim Gang aus den Katakomben hin zum Match gegen Osaka noch eine Frage beantworten sollte, wirkte ihre Stimme zittrig. Der Glaube, jede Gegnerin besiegen zu können, in jeder Situation bestehen zu können, ist verschwunden. „Sie braucht gewonnene Matches, wo, ist völlig egal. Nur über das Selbstvertrauen kann der Knoten ganz schnell wieder platzen“, analysierte die deutsche Damen-Chefin Barbara Rittner.
25 Siege stehen 2017 bisher 18 Niederlagen gegenüber. Im vergangenen Jahr hatte Kerber 81 Matches und damit so viele wie keine andere absolviert. „Ich habe immer noch meine Ziele vor Augen“, sagte sie. Erst einmal habe aber Priorität, 100-prozentig gesund zu werden. Der Ellbogen habe ihr auch gegen Osaka beim Aufschlag Probleme bereitet.
Gegen die Weltranglisten-45. wurde die 10-fache Turniersiegerin zu passiv. Es war dem Charakter der Spielerinnen entsprechend, aber auch ein Spiegelbild der Saison, dass die Kielerin in der Defensive steckte und die 19-jährige Japanerin das Spiel diktierte.
Nun stürzt Kerber voraussichtliche nach dem abschließenden Grand-Slam-Turnier des Jahres aus den Top Ten. Außerhalb der besten Zehn war die Linkshänderin zuletzt im Mai 2012 gelistet. Ein Jahr außerhalb der Top Ten abgeschlossen hat die deutsche Vorzeigesportlerin zuletzt 2011 als Nummer 32. Damals leitete zuvor der sensationelle Halbfinaleinzug bei den US Open nach einer tiefen Krise den Aufstieg in die Weltspitze ein.