Trainer: Die Marke Slaven Bilic
Der Chef der Kroaten hat keinen Zweifel daran, dass seine Elf mit einem Sieg gegen die Türkei das Halbfinale der EM erreicht.
Bad Tatzmannsdorf. Slaven Bilic war ein eisenharter Profi und lässt sich auch heute durch nichts verbiegen. Für die üblichen Phrasen hat der Jüngste im Kreis der EM-Trainer wenig übrig.
Der 39-jährige Kroate erklärt freimütig, dass ihm die Aufstellung seiner Mannschaft vor dem heutigen Viertelfinale gegen die Türkei (20.45 Uhr/ ARD) trotz diverser Verletzungsprobleme "kein Kopfweh" bereitet. Er sei weit davon entfernt, den Gegner zu unterschätzen. "Die Türkei spielt einen guten und aggressiven Fußball", so Bilic. "Es ist ein Zeichen der Stärke, dass sie zweimal ein Spiel drehen konnten. Sie sind nicht unbesiegbar, aber gefährlich bis zum Schluss."
Zweifel, dass seine Mannschaft das Halbfinale erreicht, habe er aber auch nicht. Das würde aber auch zu Bilic nicht passen, der an der Seitenlinie engagiert mitgeht wie kaum ein anderer, und sich wundern dürfte, dass sein deutscher Kollege Joachim Löw so hart bestraft worden ist.
Der gelernte Jurist ließ seine Mannschaft nach dem Einzug ins Viertelfinale ausgelassen feiern. Die Familien und Freundinnen waren bis Mittwoch willkommen im kroatischen EM-Quartier. Die Fans machten die öffentlichen Trainingseinheiten zu einer großen Party. Bilic weiß, dass die Spieler Ablenkung brauchten, um die starke Vorrunde und den überraschenden Erfolg gegen die deutsche Elf besser zu verarbeiten.
So lange liegt das Ende der eigenen Karriere des 44-fachen Nationalspielers ja noch nicht zurück. Seine drei Jahre in Karlsruhe haben ihn geprägt, was die Disziplin angeht, die Jahre in England bei West Ham und Everton verliehen ihm zudem die charakterliche Stärke, die man als Trainer braucht.
Seine klare Art imponiert seinen Spielern. Bilic macht keine Ausnahmen, bevorzugt selbst seinen neuen Superstar Luka Modric allenfalls im taktischen System, wo andere für den 22-jährigen Spielmacher nach hinten arbeiten müssen. Als Ex-Nationalspieler und ehemaliger U21-Trainer Kroatiens kennt Bilic seine Spieler sehr genau, weiß um die Schwächen seiner langsamen Innenverteidigung und die Bedeutung des Teamgeistes.
Der 39-Jährige hat einen Vertrag bis 2010. Dann erst sollte seine Mannschaft zur Hochform auflaufen. Die jetzigen Erfolge kommen dem Trainer aber natürlich nicht ungelegen, und kess behauptet er, dass Kroatien zwar kein Top-Favorit sei, aber durchaus um den Titel mitspielen kann.
Dabei muss Bilic auf Angreifer Igor Budan verzichten, der bereits zu einer Arthroskopie nach Italien gefahren ist. Derzeit überlegen die Kroaten, ob sie nach einem Sieg gegen die Türkei einen Spieler nachnominieren sollen. Denn Innenverteidiger Dario Knezevic (Knieverletzung) ist auch nicht mehr einsetzbar. Dafür werden die angeschlagenen Darijo Srna (muskuläre Probleme) und der Schalke-Profi Ivan Rakitic (Knie) heute wieder auflaufen können.
Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass der unkonventionelle Slaven Bilic mit den Kroaten den größten Erfolg seit der WM 1998 feiern kann. Damals wurden die Kroaten Dritter, nachdem sie ebenfalls zuvor Deutschland mit 3:0 bezwungen hatten. "Meine Mannschaft hat Appetit auf weitere große Taten", sagt Bilic.
"Das Team 1998 wird zwar von vielen daheim als beste kroatische Mannschaft aller Zeiten bezeichnet. Aber das heutige Team ist auch großartig. Warum sollen wir nicht den Titel holen?" Mit weiteren taktischen Meisterleistungen der Marke Bilic erscheint das gar nicht so unmöglich wie noch in den Tagen vor dem EM-Turnier, als sich die Kroaten trotzig und enttäuscht darüber ärgerten, dass ihnen allenfalls eine Außenseiterrolle gegen Deutschland zugetraut worden war.
Der Trainer hat seine Mannschaft so stark gemacht, dass niemand die "Feurigen" mehr unterschätzt. Und eines ist sicher: Auch bei einem Scheitern wird Bilic seiner Linie treu bleiben.