Die kleine Große tritt ab: Grande Dame Henkel hört auf
Oslo (dpa) - In Zukunft wird man Andrea Henkel wohl des öfteren in den Weiten des Adirondack-Gebirges finden. Vorzugsweise an einem Fluss. Denn statt durch die Biathlon-Loipen zu jagen, wird die 36-Jährige demnächst das eine oder andere Mal Fliegenfischen gehen.
Zusammen mit ihrem amerikanischen Freund Tim Burke, zu dem die zu den erfolgreichsten deutschen Skijägerinnen zählende Thüringerin nach Lake Placid in die USA auswandern wird. „Ich esse so gerne Fisch, warum dann nicht selber angeln gehen. Ich finde es interessant, was Fliegenfischen für eine Wissenschaft ist“, erzählt die zweimalige Olympiasiegerin über das größte Hobby ihres Lebensgefährten. Und weil sie so wissbegierig und offen für Neues ist, teilt sie diese Leidenschaft: „Ich muss nicht immer mit. Aber ich genieße es auch, weil man richtig abschalten kann.“
Abschalten will Andrea Henkel beim Saisonfinale am legendären Holmenkollen in Oslo nicht. Sondern hoch schalten, um vielleicht den 60. Podestplatz ihren langjährigen Erfolgskarriere zu feiern. „Auch in den letzten drei Rennen werde ich mein Bestes geben“, schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite. Der letzte Weltcup der Olympia-Saison beginnt am Donnerstag mit dem Sprint, ehe nach einem Ruhetag am Wochenende die Verfolgung und der Massenstart anstehen.
Ganz zufrieden ist Andrea Henkel mit ihrer Abschiedstournee nicht, sie hatte sich mehr erhofft. „Ich freue mich riesig über meine Podiumsplätze in Antholz und auch der vierte Platz in Oberhof machte mich glücklich, viele andere Rennen dagegen weniger“, sagt die routinierte Skijägerin. „Das Gute ist aber, dass ich mir keine Vorwürfe machen muss, nicht ordentlich gearbeitet zu haben. Es ist mir wichtig seit 2004, dass ich mir selber am Ende meiner Karriere keine Vorwürfe machen muss, nicht mein Bestes gegeben zu haben - ich denke, das ist mir gelungen.“
Den Björndalen wird Andrea Henkel ganz sicher nicht machen. Heißt: Einen Rücktritt vom Rücktritt, wie ihn der Rekord-Olympiasieger hingelegt hat, schließt sie aus. Sie ist bereit für den Abschied vom Biathlon und für ein neues Leben ohne Hochleistungssport. „Ich bin soweit. Irgendwann muss es auch mal gut sein und es kommt ein neuer Lebensabschnitt“, erklärt die achtmalige Weltmeisterin.
Das neue Leben beginnt für die in Thüringen eigentlich fest verwurzelte Grande Dame des deutschen Biathlons in den USA. Sie verlässt der Liebe wegen ihre Heimat und gibt dafür ihre sichere Stelle bei der Bundeswehr auf. In den USA will sie als Fitnesstrainerin arbeiten. „Ich ziehe wegen Tim rüber. Ich müsste nicht nach Amerika gehen. Deutschland ist meine Heimat“, sagt sie.
Auch wenn sie in dieser trotz ihrer zahllosen Erfolge meist im Schatten anderer wie Magdalena Neuner und nie wirklich im großen medialen Mittelpunkt stand. Denn ihre eher zurückhaltende Art legten manche als spröde aus, wenngleich sie einen feinen Sinn für Humor und Selbstironie hat. Verbiegen für mehr Popularität ließ sie sich nie, sondern stattdessen ihre Erfolge sprechen. Und die sind beeindruckend: Zweimal Olympia-Gold, dazu je einmal Silber und Bronze, acht WM-Titel (6 Silber, 2 Bronze), Weltcup-Gesamtsiegerin 2006/2007, 22 Weltcupsiege und insgesamt 59 Podestplätze.