Neue Gold-Lena gesucht: Verband auf Talentschau

Ruhpolding (dpa) - Magdalena Neuner verlässt bald die Biathlon-Bühne. Die Boomsportart verliert mit der Ausnahmeathletin nicht nur ihr Gesicht. Ihr droht auch eine längere Flaute. Deshalb wird nach potenziellen Nachfolgerinnen gesucht.

Das große Ganze geht vor. Die Diskussion um die Umschulung von Skilangläuferinnen für den Biathlon ist für Verbandspräsident Alfons Hörmann kein heißes Thema. „Ob das dem einen oder anderen im Langlaufteam gefällt oder nicht, da sind wir, Sportdirektor Thomas Pfüller und ich, völlig leidenschaftslos. Und sagen: Am Ende zählt das Verbandsinteresse“, sagte der Chef des Deutschen Skiverbandes (DSV) bei der Biathlon-WM in Ruhpolding.

Und das Verbandsinteresse ist klar: Die Biathlon-Sparte muss gestärkt werden. Denn nach dem Rücktritt von Superstar Magdalena Neuner, die am 18. März beim Weltcupfinale in Chanty-Mansijsk ihr letztes Rennen bestreiten wird, droht der Wintersportart Nummer eins zumindest bei den Damen eine Durststrecke. „Wenn man in den Nachwuchsbereich schaut, ist schon eine kleine Lücke da. Es dauert, bis da jemand kommt“, sagte Neuner.

Einschaltquoten und Sponsoren-Millionen könnten zurückgehen - Mittelmaß statt einer strahlenden Dauersiegerin à la Neuner interessiert möglicherweise nur wenige. Und dann können im Biathlon „Außenwirkung und Markenwert verloren gehen, alles andere wäre Schöngerede“, erklärte Hörmann. Sportdirektor Pfüller ergänzte: „Der entscheidende Punkt ist jetzt, ob weiterhin entsprechende Erfolge kommen.“

Erfolge - das sind Podestplätze und keine Platzierungen jenseits der Top 10. Doch außer Neuner hat in dieser Saison nur die bereits 34-jährige Andrea Henkel einen Sieg und einen dritten Rang eingefahren. Sie soll das Team bis zu den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi führen. Miriam Gössner hat unbestritten Potenzial. Es wird jedoch wohl noch ein, zwei Jahre dauern, bis sie ihre Probleme am Schießstand konstant in den Griff bekommt. Tina Bachmann hat sich bisher auch noch nicht zur konstanten Top-Läuferin entwickelt.

Zudem wurde der Unterbau in den vergangenen Jahren angesichts der großen Erfolge durch Neuner und den bereits zuvor zurückgetretenen Kati Wilhelm, Martina Beck und Simone Hauswald vernachlässigt. Ob sich sich die Erfolge bei den olympischen Jugendspielen auswirken, bleibt abzuwarten. Deshalb die Idee der Talentschau bei den Skilangläuferinnen. „Denn mit Biathlon erwirtschaften wir unser Geld und nicht mit Langlauf“, hatte DSV-Sportdirektor Thomas Pfüller Anfang Januar gesagt.

Dass es funktionieren kann, zeigt das Paradebeispiel Kati Wilhelm. Sie schulterte das Gewehr und umgehend kam der Erfolg. Dreimal Olympia-Gold, fünfmal Weltmeisterin und 21 Weltcupsiege standen am Ende ihrer Karriere zu Buche. „Was Kati Wilhelm für uns wert war, wissen wir alle. Wenn jetzt sechs, sieben, acht Top-Langläuferinnen mit einem guten Potenzial in jungen Jahren vorhanden sind, warum sollen wir dann nicht eine, zwei, drei oder vier in die Sportart Biathlon rübernehmen“, erklärte Hörmann.

Auch wenn Langlauftrainer Jochen Behle („Man darf sich das nicht so einfach vorstellen, aus einer Langläuferin auch eine gute Biathletin zu machen“) nur wenig von den Experimenten hält, probiert wird es auf jeden Fall. Als erste wagt die zweimalige Langlauf-Olympiasiegerin Evi Sachenbacher-Stehle den Schritt. „Ich denke, dass sie einen guten Platz einnehmen kann, aber ich habe sie noch nicht beim Schießen gesehen“, meinte Neuner.

Sachenbacher-Stehle bereitet sich in der kommenden Saison mit den Biathleten vor. Ob sie wechselt, sei aber offen. Bundestrainer Ricco Groß wird im April einen Schießlehrgang veranstalten, an dem - so will es Willen - auch Athletinnen wie Hanna Kolb und Denise Hermann teilnehmen sollen.

Wenn Talent fürs Schießen vorhanden ist, „sehe ich schon die Chance, dass man innerhalb kürzester Zeit Erfolge vorweisen kann“, erklärte Groß. Neuner meinte dagegen: „Ich sehe es schon als ein bisserl schwierig. Ich schieße jetzt schon seit 16 Jahren und habe so meine Problemchen hin und wieder.“