Pechstein einzige deutsche WM-Hoffnungsträgerin
Moskau (dpa) - Der deutsche Teamarzt ist auch in Moskau Begleiter von Claudia Pechstein. Einen Tag vor der Eisschnelllauf-WM im Mehrkampf war der Berlinerin beim Training im Eispalast von Krylatskoje zwar nichts von den Folgen ihrer Wirbelblockade anzusehen.
Doch bei der Rückkehr ins Mannschaftshotel „Aquarium“ am Moskwa-Ufer zeigte Pechstein an der Seite von Teamarzt Gerald Lutz auf ihren Nacken. „Ich war heute noch nicht beim Arzt. Erstmal draufgucken und checken“, sagte sie. Eine Woche nach ihrem Ausstieg beim Weltcup in Hamar betonte Pechstein knapp, dass sie die vier Strecken kurz vor ihrem 40. Geburtstag in Angriff nehmen will: „Sonst wäre ich nicht hier.“
Sechs Wochen nach EM-Silber weiß auch die erfahrene Olympiasiegerin nicht, wo sie nach der alles andere als optimalen Vorbereitung mit einem Infekt und der Wirbelblockade steht. Die EM in Budapest war der einzige ernsthafte Wettkampf in diesem Jahr. „Ich weiß also beim besten Willen nicht, wie ich drauf bin“, hatte Pechstein am Donnerstag mitgeteilt.
Von einer „Überraschungstüte“ sprach der deutsche Teamchef Helge Jasch. „Auch wenn die Blockierung gelöst ist, ist die Muskulatur immer noch steif. Sie will aus dem, wie es ist, das Beste machen“, erklärte Jasch. Elf Medaillen hat Pechstein bei Allround-Weltmeisterschaften schon geholt, dabei 2000 auch den Titel. Zuletzt gab es 2006 mit Silber in Calgary Edelmetall. Es wäre eine Überraschung, wenn ihr am Rande der Hochhaussiedlung im Randbezirk Krylatskoje unter den Umständen der Sprung auf das Podest gelänge.
In jedem Fall plant Pechstein bis Olympia 2014, nachdem sie vor zwei Jahren in Vancouver wegen ihrer Sperre gefehlt hatte. Die fünfmalige Olympiasiegerin präsentierte einen neuen Sponsor, der sie für drei Jahre unterstützen wird. Am Montagabend ist in Moskau ein Auftritt im Wirtschaftsclub Russland geplant, dort soll sie bereits jetzt auf die Spiele in zwei Jahren in Sotschi einstimmen.
Von den Belastungen des deutschen Eisschnelllaufs durch die umstrittenen Blutbehandlungen eines ehemaligen Arztes des Olympia-Stützpunktes Erfurt war vor der WM nichts zu spüren. „Wir haben mit dem Sport alle Hände voll zu tun. Das spielt gar keine Rolle, weil sich das Thema auf einer anderen Ebene abspielt“, sagte Bundestrainer Stephan Gneupel. Der Erfurter Patrick Beckert und die Berlinerin Isabell Ost seien an dem Thema nicht interessiert, Claudia Pechstein nur insofern, als ihr Name gefallen sei.
Beckert und auch Außenseiterin Ost würden sich in Moskau gern für die abschließende Strecke der besten Zwölf qualifizieren. Seit 2003 war keiner der deutschen Männer mehr im WM-Finale. Eine kleine Chance darauf hat Langstreckler Beckert, dessen Schwester Stephanie bei der WM nicht startet. Sie schont sich für die Einzelstrecken-WM in einem Monat. Beckert erhielt zumindest ein dickes Lob von Anni Friesinger, sie kommentiert die Rennen für das niederländische Fernsehen. Friesinger war 2005 in Moskau letzte deutsche Weltmeisterin und holte 2007 mit Silber die bislang letzte deutsche Allround-Medaille.
Titelverteidiger sind die Niederländerin Ireen Wüst und beim Heimauftritt der Russe Iwan Skobrew. Die Europa- und Ex-Weltmeister Sven Kramer aus den Niederlanden und Martina Sablikova aus Tschechien wollen dagegenhalten.