Zentrale Aussagen der Doping-Studie

Düsseldorf (dpa) - Die zentralen Aussagen des inhaltlichen Schlussberichts des Doping-Forschungsprojekts der Berliner Humboldt-Universität Berlin:

FRÜHES DOPINGPROBLEM: „Die vielfach formulierte These, das Dopingproblem sei in der Bundesrepublik erst mit dem Konsum von Anabolika in den 1960er-Jahren offen zutage getreten, lässt sich jedenfalls eindrucksvoll widerlegen. Die Geschichte des Dopings in der Bundesrepublik beginnt demnach nicht erst 1970, als das erste formelle Dopingverbot vom Deutschen Sportbund (DSB) beschlossen wurde. Sie beginnt bereits 1949.“

AMPHETAMIN-EINSATZ VOR 1960: „Amphetamine kamen bis 1960 im deutschen Sport teils systematisch zum Einsatz. Dabei erhärtet die erstmals ausgewertete Dissertation des Göttinger Mediziners (und Oberliga-Fußballers) Heinz-Adolf Heper aus dem Jahr 1949 die These, dass der Missbrauch von Substanzen aus der Amphetamin-Gruppe bereits gegen Ende der 1940er Jahre im deutschen Leistungsfußball zur Normalität gehörte.“

ANABOLIKA-NUTZUNG: „Der Beginn des Einsatzes anaboler Steroide im deutschen Leistungssport muss schon vor 1960 angesetzt werden, eine größere Verbreitung dürfte mit der medizinischen Testphase der Dianabol-Pillen eingesetzt haben, also etwa 1957/1958.“

EPHEDRIN-EINSATZ BEI WM 1966: „Dass auch die Elite des bundesdeutschen Fußballs Amphetamine missbrauchte, belegt eine weitere erstmals gehobene Quelle: Der Brief des FIFA-Funktionärs Prof. Dr. Mihailo Andrejevic an den Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Dr. med. Max Danz, aus dem Jahr 1966, der sich mit den Dopingkontrollen des Weltfußballverbandes bei der WM 1966 in England auseinandersetzte. Dieses Schreiben belegt, dass drei deutschen Fußballern am Ende des Turniers 'feine Spuren' Ephedrin nachgewiesen wurden. Die bedeutsame Quelle wirft Fragen auf, da die Resultate der Dopinganalysen nicht bekannt sind.“

FRIC-REFERAT: „Die Studie beschreibt einen Vortrag des tschechischen Sportmediziners Jaromir Fric im Jahr 1968. „Zentrales Ergebnis ist zunächst, dass Sportler und Trainer aus verschiedenen Sportarten den Konsum von Anabolika-Präparaten auf Basis vertraulicher Gespräche einräumten. (...) Das Frić-Referat ist zweitens der Beweis dafür, dass der Missbrauch von Anabolika zum Zwecke der Leistungssteigerung in den 1960er Jahren keineswegs auf die Wurfdisziplinen der Leichtathletik beschränkt war, wie es in der Literatur bisher hieß. Nach Kenntnis von Fric waren unter den Spitzensportlern mit 'längerem' Anabolika-Konsum auch 'einige Mittelstreckler', Fußballer, Ruderer und Straßenradrennfahrer.“ (...) Da man die Entwicklung in West-Berlin als pars pro toto für die Leistungssportzentren des westdeutschen Sports betrachten kann, erlaubt dies den Schluss: nicht nur der hier analysierte West-Berliner, sondern auch der gesamte bundesdeutsche Sport hatte bereits in den 1960er-Jahren ein Anabolika-Problem.“

KOLBE-SPRITZE: „Der Vorgang illustriert die damalige Mentalität der Funktionäre im westdeutschen Leistungssport, Methoden und Substanzen einzusetzen in der Hoffnung, die eigenen Sportler schneller oder kräftiger machen - ohne allerdings fachlich seriös einschätzen zu können, welche Wirkung und Nebenwirkungen diese Methoden oder Substanzen haben könnten.“

BISp-STUDIE REGENERATION UNDTESTOSTERON: „Dass es sich bei der Studie 'Regeneration und Testosteron' nicht um eine rein wissenschaftliche Studie über die Wirkungen des Testosterons handelte, beweist die historische Analyse der Akten: Vielmehr belegt beispielsweise das Studienkonzept (Professor Joseph) Keuls, dass sie als anwendungsorientierte Dopingforschung ausgelegt war.“

TESTS MITACTOVEGIN: Weiterhin finanzierte das BISp der Kölner Sportmedizin zu Beginn der 1980er Jahre mindestens drei Forschungsvorhaben, die sich mit dem Präparat Actovegin beschäftigten, ein deproteiniertes Hämoderivat aus Kälberblut, das nach Angaben der Herstellerfirma „über eine Beeinflussung der Sauerstoffaufnahme, der Glucosepenetration und -utilisation in den Ablauf energieabhängiger Prozess der Zelle“ eingreift, wobei die optimale Wirkung unter Mangelbedingungen wie Hypoxie und Substratmangel erreicht wird. Laut den Listen, die das BISp 1991 zum Thema „Forschungsprojekte - Medikamente“ anfertigte, vergab das BISp das erste Actovegin-Projekt 1981 an Hollmann, zwei weitere 1983 und 1984. Laut handschriftlicher Notizen testeten die Kölner Sportmediziner dieses Medikament an Radsportlern und Spielern der Hockey-Nationalmannschaft.

FAZIT 1972 bis 1989/90: „Es stellt sich mithin die Frage, wie ernsthaft Verantwortliche in der deutschen Sportlandschaft den Kampf gegen das Doping tatsächlich betrieben haben und mit welcher Ausdauer sie die (zum Teil sich selbst gesetzten) Grundsätze und Ziele in dieser Hinsicht verfolgt haben. Nach den Projektergebnissen zu urteilen, erscheint dies zweifelhaft.“

ANTI-DOPING-KAMPF AB 1990: „So muss nach dem jetzigen Stand der Forschung davon ausgegangen werden, dass das Doping-Kontrollsystem auch nach Installierung der Anti-Doping-Kommission im DSB/NOK zahlreiche Schwächen aufwies. Nach Angaben zahlreicher Zeitzeugen existierten auch nach 1990 zahlreiche Möglichkeiten für die Sportfachverbände, Trainer und Sportler, Dopingkontrollen zu umgehen bzw. die Dopingproben so zu manipulieren, dass eine Sanktion ausgeschlossen war. (...) Diese von Zeitzeugen beschriebenen Lücken in der Praxis der Dopingbekämpfung würden bei Verifizierung nach Fortführung der Recherchen bedeuten, dass zumindest zu Beginn der 1990er Jahre ein konsequenter Wille zur Dopingbekämpfung nicht vorhanden war. Diese mangelnde Bereitschaft lässt sich nicht generalisieren; weitere Forschungen müssten differenziert herausarbeiten, aus welchen Motiven heraus mancher Sportverband sich dem Dopingkampf verschloss, während andere Verbände bzw. Funktionäre das Problem des Dopings bekämpften.“

VORWÜRFE GEGEN DFB: „Die Bereitschaft einiger Verbände, dem Projekt hilfreich zur Seite zu stehen, schwand. Pars pro toto war der bereits fest vereinbarte Archivbesuch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), der dann doch nicht zustande kam, weil der DFB durch einen juristischen Beistand plötzlich Forderungen an unser Projekt stellte, die einerseits dem wissenschaftlichen Standard widersprechen und andererseits einen Verstoß gegen den bestehenden Vertrag mit dem Auftraggeber BISp bedeutet hätten.“