Analyse: Der sanfte Erneuerer Rösler zeigt Zähne
Berlin (dpa) - Offen drohte er nicht, es gab auch keine Basta-Sprüche. Am Ende zeigte der „Polit-Softie“ Philipp Rösler jedoch seine harte Seite: In knapp 24 Stunden wurde die Ministerriege umgeschichtet, die FDP-Fraktionsführung und die Parteispitze neu organisiert.
Jetzt fehlen noch die neuen Inhalte.
Bis das Personaltableau am Dienstag stand, gab es noch ein schier endloses Gerangel hinter den Kulissen. Erst dann stand fest, dass Birgit Homburger als Kompensation für ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur zum Fraktionsvorsitz erste Stellvertreterin von Rösler an der Parteispitze werden soll.
In der anschließenden Sitzung der FDP-Abgeordneten, die im Machtkampf die Wende markierte, ging dann alles ganz rasch. Eine inhaltliche Aussprache über den künftigen Kurs der Fraktion fand nicht statt. Wie schräg derzeit die Lage der FDP ist, zeigte dabei schon das Wahlverfahren in der Fraktion.
Rösler, selbst ohne Abgeordnetensitz im Bundestag, ließ über den entmachteten Parteichef Guido Westerwelle den bisherigen Wirtschaftsminister als neuen Fraktionschef vorschlagen. Den gleichen Wahl-Ablauf gab es für den Wechsel von Rösler und Daniel Bahr an die Spitze von Wirtschafts- und Gesundheitsministerium.
Rösler wusste seit Tagen, dass eine auch nur halbwegs glaubhafte Erneuerung der FDP ohne Veränderungen im Kabinett und an der Fraktionsspitze nicht möglich war. Homburger gehörte zu den Wahlverlierern in Baden-Württemberg. Ihre Außendarstellung der Fraktion galt als nicht gerade glanzvoll. Sie hatte nach Westerwelle die schwächste Position in der Führung.
Rösler setzte darauf, dass niemand einen noch nicht installierten letzten Hoffnungsträger der Partei demontieren will. So wurde er den unpopulären Posten des Gesundheitsministers los. Die Hypothek einer schwelenden Krise in der Fraktionsführung ist auch ausgelöst.
In der engsten Parteiführung hat Rösler künftig mit Homburger und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zwei Frauen. Und mit Holger Zastrow rückt auch ein neuer Vertreter der Ost-Verbände anstelle von Cornelia Pieper in die Vize-Riege.
Rösler schwebt eine Art neue Arbeitsteilung zwischen Fraktion und FDP-Ministerriege vor. Die prominenten Gesichter sollen mehr Dynamik in die Regierung bringen. Die Fraktionsführung mit Brüderle soll mehr die Erfahrung der Partei verkörpern, getreu dem Brüderle-Motto: „Ich bin für FDP pur - ohne Zusatzstoffe.“ Der Durchbruch zu einer „neuen FDP“ ist das noch nicht. Die Inhalte will Rösler in Rostock nachliefern.
Auf die Galionsfigur Silvana Koch-Mehrin muss er vorerst verzichten. Sie muss sich derzeit mit Plagiatsvorwürfen herumschlagen. Dem Parteipräsidium gehört die Europapolitikerin von Amts wegen an.