Analyse: EZB vor nächstem Feuerwehreinsatz

Frankfurt/Main (dpa) - Geld in Europa ist billig wie nie, die Milliardenschwemme für klamme Banken gewaltig - doch es reicht nicht, die Krise lodert unvermindert weiter. Die Europäische Zentralbank (EZB) soll - mal wieder - zum Feuerwehreinsatz ausrücken.

In einer zentralen Bankenaufsicht sollen die Währungshüter nach dem Willen der 17 Eurostaaten bald eine maßgebliche Rolle spielen. Und gerade den strauchelnden Südländern wäre es lieb, wenn die vom Italiener Mario Draghi geführte Notenbank schon bei ihrer nächsten Ratssitzung am Donnerstag (5.7.) die Zinsen erstmals unter 1,0 Prozent senken würde.

Die unabhängige EZB als Kontrollbehörde für Großbanken und mit EU-Hilfen gestützte Institute - was plausibel klingt, wirft in der Praxis etliche Fragen auf: „Die EZB ist für die Geldversorgung und die Preisstabilität im Euroraum zuständig. Ihre Einbindung in die Bankenaufsicht würde ihre Unabhängigkeit untergraben“, meint etwa der Bankenverband VÖB. Zudem ist die Notenbank nur für die 17 Eurostaaten zuständig und kann schon von daher keine Aufsicht über alle Banken in der Europäischen Union ausüben.

Schon die Einrichtung der europäischen Bankenaufsicht EBA zum Jahresstart 2011 machte die Probleme einer grenzüberschreitenden Bankenaufsicht deutlich: Die Londoner Behörde hat kaum Durchgriffs- und Weisungsrechte gegenüber nationalen Banken. Maßgeblich sind nach wie vor die nationalen Aufseher, in Deutschland Bafin und Bundesbank. Dass die EBA bei Krisentests Vorgaben bisweilen willkürlich änderte, hat das Ansehen der jungen Behörde zusätzlich ramponiert.

Ökonomen wie Holger Schmieding von der Berenberg-Bank sind überzeugt, dass letztlich nur die EZB die Märkte dauerhaft beruhigen kann. Die Politik verspiele durch Zögern und Zaudern viel Kapital, die Märkte warteten nicht auf die Kompromisse aus Brüssel. Nach den jüngsten Gipfelbeschlüssen kommentierte Schmieding am Freitag: „Die EZB kann es richten, es liegt in Ihrer Hand, Herr Draghi.“

Seit Tagen werden Forderungen lauter, die Leitzinsen im Euroraum noch weiter zu senken. Es spreche mehr für eine Zinssenkung als dagegen, meint etwa Erik Nielsen von der Unicredit. Ein Argument für niedrigere Zinsen: Die Inflation war zuletzt auf dem Rückmarsch, sinkende Ölpreise sorgen - zumindest vorübergehend - für Entspannung im Portemonnaie der Verbraucher.

Die an sich nicht überraschende Aussage von EZB-Chefvolkswirt Peter Praet im Interview mit der „Financial Times Deutschland“ kurz vor dem Brüsseler Gipfel, es gebe „keine Doktrin, dass der Leitzins nicht unter 1,0 Prozent liegen kann“, wurde denn auch gleich als Signal für eine Zinssenkung gedeutet.

Die EZB ist sich ihrer Bedeutung bewusst. Doch die Währungshüter wissen auch, dass ihr Mandat Grenzen hat - und diese in der Krise mindestens erreicht, wenn nicht gar schon überschritten wurden. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann wird nicht müde, auf diesen Umstand hinzuweisen: „Besonders irritierend ist, dass einige Regierungen unverhohlen darauf dringen, dass die Geldpolitik den Ausputzer der Fiskalpolitik spielt und Probleme mit der Notenpresse löst. Das ist nicht die Aufgabenverteilung, die bei Gründung der Währungsunion versprochen und vertraglich festgelegt wurde“, schrieb Weidmann kürzlich in der „Süddeutschen Zeitung“.

Schultert die EZB dennoch weitere Lasten? EZB-Chefökonom Praet zeigte sich vor den Brüsseler Gipfel-Beschlüssen grundsätzlich aufgeschlossen für eine Euro-Bankenaufsicht, mahnte aber: „In jedem Fall muss gewährleistet sein, dass sich Bankenaufsichtsfunktion und Mandat zur Wahrung der Preisstabilität unabhängig voneinander erfüllen lassen.“ Eine einfache Lösung wird es nicht geben.

Besonders Italiens Regierungschef Mario Monti hatte die EZB lauthals aufgefordert, als Käufer von Staatsanleihen aktiv zu werden, um die hohen Renditen zu drücken. Neuland wäre das nicht für die Währungshüter, aber sie bewegten sich auf dünnem Eis. Vor allem in Deutschland regte sich Widerstand, als die Notenbank 2010 begann, Anleihen Griechenlands, später auch Portugals, Irland, Italiens und Spaniens zu kaufen. Die Staatsfinanzierung mit der Notenpresse ist verboten. Die EZB hat seit drei Monaten keine Staatsanleihen mehr gekauft, sitzt aber auf Papieren im Wert von 210 Milliarden Euro.

Ohnehin würde der bloße Stützungskauf die Zinsen nur kurzfristig drücken, betont Andrew Bosomworth vom Anleiheinvestor Pimco: „So lange die EZB nicht die Garantie der Politik hat, dass die Mitgliedsländer die Geburtsfehler der Währungsunion korrigieren ..., sind Anleihekäufe nur eine kurzfristige Brücke ins Nichts.“